Im Steyrer Kinderheim gedemütigt

Im Steyrer Kinderheim gedemütigt
Gerhard Anton Petzl verbrachte seine Kindheit in einem Heim. Die schlimmen Erlebnisse schrieb er in einem Buch nieder.

Es war nicht einfach. Beim Schreiben habe ich oft daran gedacht, alles hinzuwerfen", sagt Gerhard Anton Petzl.
Letztendlich besiegte der 62-jährige Steyrer seinen inneren Schweinehund. Zum Glück. Denn das Ergebnis, ein Buch mit 182 Seiten, kann sich sehen lassen. Es trägt den Titel: "Nur wer die Nacht kennt, weiß den Tag zu schätzen".

Erstlingswerk

Petzl, mehr als drei Jahrzehnte lang viel beschäftigter PR-Mann bei der Ennskraft, brachte in seinem Erstlingswerk Erinnerungen aus seiner Kindheit zu Papier, die er zum Großteil im St.-Anna-Heim in Steyr verbrachte, besser gesagt verbringen musste. "Ich habe mich geoutet, wie man heute so schön sagt."
Züchtigungen, Erniedrigungen und psychische Gewalt waren damals allgegenwärtig. "Ich will niemandem einen Vorwurf machen. Die Leute dort waren einfach völlig überfordert und nicht fähig, mit Kindern richtig umzugehen." Petzl, der von seiner Mutter mit dreieinhalb Jahren verlassen wurde, erzählt von seinen schlimmen Erfahrungen. Und lässt dabei nichts aus. Auch nicht die Tatsache, dass er lange Zeit Bettnässer war.

Leben gemeistert

Als Jugendlicher - Petzl durfte St. Anna mit zwölf verlassen - hatte er mit den Folgen seiner Internatszeit zu kämpfen. "Ich war ein gepeinigter Mensch und ein introvertierter Außenseiter." Der es aber immer wieder schaffte, sein Leben zu meistern. Beruflich machte Petzl seinen Weg. Er fand aber auch privat sein Glück und gründete mit seiner Frau Marianne, einer gebürtigen Bad Ischlerin, eine Familie. "Das war tief in meinem Herzen mein allergrößter Wunsch. Ich wollte es besser machen als meine Mutter." Mittlerweile ist der dreifache Vater auch fünffacher Großvater.

Großer Rückhalt

Die Familie ist Petzls großer Rückhalt. Enkelin Melanie war es auch, die ihn ermutigte, das Buch zu schreiben. "Sie hat gesagt, meine Lebensgeschichte würde andere Leute ebenfalls interessieren", sagt Petzl, der tief gläubig ist und immer wieder Menschen fand, die ihm in schweren Zeiten als "gute Geister" zur Seite standen. Wie Hilfsschwester Rosalia, die sich im Kinderheim rührend um das ständig kränkelnde Kind kümmerte. Wie die Jesuitenpater von der Marienkirche in Steyr, die ihn, den mageren, groß gewachsenen Burschen, wieder auf die Beine brachten.
Wie seine vielen Pfadfinderfreunde, sein Fachlehrer Franz Lechner und natürlich seine geliebte Frau Marianne. Was Petzl, der sich nach einem im Vorjahr erlittenen Herzinfarkt wieder gut erholt hat, empfand, als er mit Buch endlich fertig war? "Ich habe meine Kindheit verarbeitet und kann sie jetzt daher mit ruhigem Gewissen zur Seite legen. Jetzt geht es mir besser."
Ob er sich vorstellen könne, ein zweites Buch in Angriff zu nehmen? "Warum nicht? Stoff genug hätte ich. Außerdem habe ich ja immer gerne geschrieben", so Petzl.

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