"Ambulanzgebühr unausweichlich"

„Wenn die Menschen länger leben, müssen sie länger arbeiten. Wer etwas anderes behauptet, sagt bewusst die Unwahrheit“: Franz Mittendorfer.
Der Anwalt und gespag-Chef Franz Mittendorfer über Pensionen, Steuern und Spitäler.

Franz Mittendorfer (52) ist Präsident der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer und Aufsichtsratsvorsitzender der landeseigenen Spitalsholding gespag.

KURIER: Rechtsanwälte gehen mit 67 Jahren in Pension. Sie arbeiten damit neun Jahre länger als der Durchschnittsösterreicher.Franz Mittendorfer: Für die nach 1988 geborenen Rechtsanwälte wurde das Pensionsantrittsalter sogar auf 70 Jahre angehoben. Früher betrug es 65 Jahre. Das effektive Antrittsalter von 2003 bis 2012 betrug 66 Jahre und acht Monate.

Sind Anwälte arbeitssüchtig oder brauchen sie das Geld?

Es ist ein Beruf, der eine hohe Eintrittsschwelle hat. Wir haben nicht nur die Berufsausbildung, sondern benötigen auch eine fünfjährige Berufspraxis, bevor wir als Anwälte eingetragen werden. Dazu kommt, dass unser Beruf von der Erfahrung lebt. Es ist nicht der Preis das primär Entscheidende, sondern es kommt auf die Erfahrung an. Üblicherweise will der Anwalt länger arbeiten.

Die Beschlüsse der Anwälte sind alle einstimmig über die Bühne gegangen. Im vergangenen Jahr haben wir noch eine Anhebung der Pensionsbeiträge für den Zeitraum von fünf Jahren um jeweils vier Prozent beschlossen. Also in Summe um 20 Prozent. Die Leistungen werden jeweils nur ein Prozent erhöht.

Was war der Hintergrund?

Wir haben uns einen Versicherungsmathematiker geholt, der einen Pensions-Check durchgeführt hat. Er hat uns erklärt, dass diese Schritte notwendig sind, um das Pensionsniveau zu halten.

Wie hoch ist die Pension der Anwälte?

2350 Euro brutto pro Monat. Wir haben uns für ein System entschieden, in dem jeder eine gleich hohe Pension bekommt.

Wie verwaltet die Kammer die Pensionsgelder?

Wir veranlagen wie die Ärztekammer selbst. Wir haben zum Beispiel ein Bürohaus gekauft, in dem das Finanzministerium der Mieter ist. Wir investieren auch in Immobilien.

Wie hoch ist die jährliche Rendite?

Sie ist sehr niedrig, deshalb haben wir beschlossen, dass wir auch in andere Investitionsformen wie Immobilien hineingehen dürfen. Beim Geldmarkt lukrieren wir zwischen einem und 1,5 Prozent, bei den Immobilien vier Prozent.

Keine Aktien?

Fonds sind ein Risiko. Wir haben gesagt, dass wir konservative Veranlagungen wollen. Man ist damit gut beraten. Andere sind bei ihren Exkursionen in den Hochzinsbereich draufgekommen, dass es ein Hochrisikobereich ist und sie haben viel Geld verloren.

Können Anwälte hier beispielgebend sein für die Republik?

Ja, in der Frage, was kann man sich als Beitragszahler leisten und was kann man als Leistungsempfänger von den Beitragszahlern erwarten. Dazwischen ist ein klassischer Algorithmus. Man muss definieren, wie viel braucht der Pensionsbezieher und wie viel ist dem Beitragszahler zumutbar. Das ist nichts anderes als das schwedische Pensionsmodell. Hier wird ausgerechnet, wie viel der Einzelne an Beiträgen einbezahlt hat. Das ergibt am Ende einen gewissen Betrag. Der große Vorteil in Schweden besteht darin, dass man die Pensionen aus dem Budget herausgebracht hat.Der schwedische Finanzminister hat gegenüber dem österreichischen erklärt, dass man dieses Modell mögen kann oder auch nicht, aber es ist die Wahrheit. Man muss es akzeptieren, es ist schlichte Mathematik.

Man kann und darf nicht erwarten, dass der Staat für die Deckungslücke aufkommt. Die Schweden zahlen maximal 18,5 Prozent ein, was zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt wird. 2,5 Prozent legen die Arbeitnehmer selbst in Kapitalmarktfonds an. Dann errechnet sich aufgrund der Lebenserwartung das Ausmaß der Kürzung der jeweiligen Pensionsleistung. Es kann nicht sein, dass die Steigerung der Lebenserwartung nur auf Kosten der Jungen geht.

Wir sagen ebenfalls, dass man bei einer längeren Lebenserwartung einfach länger arbeiten muss. Alles andere ist aus meiner Sicht einfach die Unwahrheit. Sehr viele Personen, die sich damit befassen, wissen das ganz genau und betreiben Schönfärberei.

Themenwechsel. Die SPÖ will Vermögen ab einer Millionen Euro besteuern. Können Sie dem etwas abgewinnen?

Ich halte sie für den falschen Weg, weil sie ungerecht ist. Denn sie ist bei dem, der sich das Vermögen erwirtschaftet hat, eine Doppelbesteuerung. Wir sollten über etwas ganz anderes diskutieren. Ob nicht die Wiedereinführung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer Sinn macht. Die Vermögenssteuer ist nichts anderes als eine argumentative Nebelbombe, weil man eigentlich zur Erbschafts- und Schenkungssteuer hin will. Wo beginnt ein Vermögen, das besteuert werden müsste? Wer ist ein Millionär? Zudem ist die Vermögenssteuer eine Schnüffelsteuer. Man sollte daran denken, dass die Gebeine nicht teurer sind als das Fleisch, wie man in Oberösterreich sagt, dass eben die Nachverfolgung komplizierter und teurer ist als die Generierung. Über eine Erbschafts- und Schenkungssteuer sollte man hingegen nachdenken.

Sie sind Aufsichtsratsvorsitzender der landeseigenen Spitalsholding gespag. Sie verlieren nun das Wagner Jauregg und die Landesfrauenklinik an die Universitätsklinik. Das bedeutet für die gespag doch einen Machtverlust.

Ich halte die Universitätsklinik für eine großartige Lösung. Der parteiübergreifende Schulterschluss ist endlich passiert. Wenn man etwas gemeinsam macht, ist die Gesamtsumme mehr als die Summer der Einzelteile. Das Pfründedenken wurde überwunden. Wir haben eine massiven Ärztemangel. Derzeit fehlen der gespag mehr als 120 Turnusarztstellen. Ich halte es für wichtig, die Medizinstudenten an Oberösterreich zu binden.

Ich sehe überhaupt keinen Machtverlust, weil man etwas Größeres bekommen hat. Das ist eine deutliche Aufwertung der gespag und des AKH.

Bleibt das Spitalswesen für die öffentliche Hand finanzierbar?

Auch hier werden in der öffentlichen Wahrnehmung Korrekturen erforderlich sein. Es wird langfristig nicht mehr möglich sein, ohne Selbstbehalte als Steuerungsinstrument auszukommen. Es ist heute üblich geworden, sofort in die Ambulanzen der Spitäler zu gehen. Ich halte die Ambulanzgebühren für unausweichlich. Heue geht jeder in die Spitalsambulanz, weil es nichts kostet. Heillos überfüllte Ambulanzen und die Unzufriedenheit aller am System Beteiligten sind die Folge. Die Vermeidung dieser Effekte ist nur durch Ambulanzgebühren zu erzielen.

Erwünscht wäre, dass die Patienten zum praktischen Arzt gehen?

So ist das System aufgebaut. Wir haben im Prinzip ein Zuweisungssystem, aber de facto haben wir ein System, das so nicht mehr tragbar ist. In der Vergangenheit wurde der Fehler gemacht, dass man den Leuten erzählt hat, dass das alles nichts kostet. Das war die falsche Botschaft. Die Spitäler sind Hightech-Einrichtungen, wo der Patient dann aufgehoben werden soll, wenn in den anderen Bereichen die Behandlung nicht mehr möglich ist. Das erklärt unsere im internationalen Vergleich so hohe Spitalsdichte. Man muss die niedergelassenen Ärzte aufwerten, sie sollen untereinander kooperieren.

Erfüllt es Sie mit einer gewissen Befriedigung, dass Elgin Drada, die Büroleiterin von Landeshauptmann Josef Pühringer, nun Direktorin der Universitätsklinik werden soll? Diejenigen, die Ihre Berufung als dritter gespag-Vorstand kritisiert haben, präsentieren sie nun bereits als fix bestellt, obwohl die Position noch gar nicht ausgeschrieben wurde.

Ich kenne sie viele Jahre und weiß, dass sie zu den wenigen hervorragenden Spezialisten in diesem Bereich gehört. Die Debatte vor knapp zwei Jahren wurde medial leider sehr emotionalisiert und ist an der Sache vorbeigegangen. Es war ein richtiger Schritt im Änderungsprozess an den Spitälern jemanden zu haben, der dafür besonders zuständig ist. Sollte sich Elgin Drda bewerben, hoffe ich, dass sie genommen wird.

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