"Es wird Verjüngungen geben"

Landeshauptmann Josef Pühringer urlaubt derzeit am Mondsee
Der Landeshauptmann kündigt Veränderungen in der Landesregierung und im Landtag an.

Josef Pühringer (66) ist zwar offiziell auf Urlaub, doch sein Chauffeur pendelt häufig zwischen dem Landhaus und Mondsee hin und her, um den Landeshauptmann mit Unterlagen zu versorgen.

KURIER: Welche Gedanken gehen Ihnen angesichts der Serie von Terror-Anschlägen durch den Kopf?

Josef Pühringer: Die Anschläge in Bayern haben die Situation noch einmal dramatischer gemacht. Das ist vor unserer Haustür. Ich bin tief betroffen, aber keiner von uns hat das Allheilrezept, das wir in dieser Situation bräuchten. Die Politik muss sich sehr gut überlegen, wie sie darauf reagiert. Es ist für uns ein Anlass, alles Verbindende, alles Brückenbauende viel stärker in den Vordergrund zu stellen als das, was eine Gesellschaft auseinanderführt und sie spaltet. Extreme und Radikale haben noch nie Probleme gelöst, sondern nur Probleme gemacht.

Sind für Oberösterreich Konsequenzen zu ziehen?

Natürlich sind wir in enger Verbindung mit der Bundespolizeidirektion, natürlich wollen wir, dass für die Sicherheit der Bürger alles getan wird. Hier muss ich unseren Polizisten ein großes Lob aussprechen. Bei jedem Anschlag werden die Kontrollen verschärft, die Polizisten müssen zusätzliche Dienste in der Nacht und am Wochenende machen.

Aber eines muss uns klar sein. Gegen Psychopathen, gegen Wahnsinnige, gegen Terroristen kann man sich nie hundertprozentig schützen.

Vor einem Jahr war die Flüchtlingswelle voll im Gang. Sie haben sich damals für Grenzkontrollen ausgesprochen und wurden dafür kritisiert. Fühlen Sie sich im Nachhinein bestätigt?

Darum geht es überhaupt nicht. Wir haben dank des großen Engagements der Bürger, der Polizei, der Pfarren, der Bürgermeister, der Zivilgesellschaft und der Politik die Probleme weitgehend gelöst. Wir haben derzeit rund 2500 freie Quartiere. Wir haben in den Gemeinden viele Erfolge in der Integration. Wir sind dem Motto "Anstand und Hausverstand" treu geblieben. Mit jenen, die da sind, muss ordentlich umgegangen werden.

Es muss aber auch klar gesagt werden, dass es eine Pflicht aller in Europa ist, Flüchtlinge aufzunehmen. Ein zweites Jahr 2015 würden wir nicht durchstehen. Die Obergrenze sehe ich nicht als Obergrenze der Menschlichkeit, sondern der Vernunft.

Der zweite Brennpunkt, der Europa derzeit beschäftigt, ist die Lage in der Türkei.

Der Putschversuch ist nicht gutzuheißen, er ist aber keine Berechtigung für Präsident Erdogan, die Demokratie infrage zu stellen und derartige Säuberungsaktionen durchzuführen. Die Entwicklung ist sehr bedenklich, die geplante Einführung der Todesstrafe, die Entlassung der Richter. Das alles muss von der Staatengemeinschaft verurteilt werden.

Sollte die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stoppen?

Die EU muss ein Zeichen setzen, in welcher Weise auch immer. Erdogan wird sicherlich bewusst sein, dass er alles tut, damit der Beitritt nicht zustande kommt.

Es gab in Linz Demonstrationen der Erdogan-Anhänger. Weiters kam es kürzlich auch zu Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden.

Die Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht und kann daher von niemandem infrage gestellt werden. Aber es müssen Gesetz und Ordnung eingehalten werden. Kein Aufruf zur Hetze, Achtung der Menschenrechte, keine Gewaltanwendung. Die türkische Innenpolitik soll innerhalb der Grenzen der Türkei stattfinden und nicht nach Linz oder Wien verlegt werden.

Gibt es Defizite bei der Integration der Türken?

Defizite wird es immer geben. Integration ist eine Hol- und Bringschuld. Ich habe Fälle in meiner eigenen Gemeinde, in denen sich Türken integrieren, aber auch Fälle, wo sie nur provozieren.

Norbert Hofer, der Präsidentschaftskandidat der FPÖ plädiert für ein Aussetzen der Staatsbürgerschaftsverleihungen an Türken.

Das sind wahlkampfbedingte Schnellschüsse. Man muss sich die Staatsbürgerschaftsverleihungen unter dem Kontext der Krise in der Türkei ganz genau ansehen. Wenn es stimmen sollte, dass es viele Doppelstaatsbürgerschaften gibt, muss der Staat dem nachgehen. Man sollte hier schon klar trennen zwischen Wahlkampfansagen und korrekter Vorgangsweise.

Die Flüchtlingswelle im vergangenen Jahr hat zu einem ÖVP-Verlust von zehn Prozent im Herbst 2015 geführt. Welche Konsequenzen hat die Landes-ÖVP daraus gezogen?

Die Flüchtlingsfrage war sicherlich ein wesentlicher Faktor. Aber es wäre falsch, das Ergebnis nur darauf zu reduzieren. Wir haben auch selbst Fehler gemacht.

Welche?

Neben den Flüchtlingen gab es eine ganz generelle und tiefe Unzufriedenheit mit den politischen Parteien. Bei allen zeitlich in der Nähe liegenden Wahlen hat die ÖVP deutlich schlechter abgeschnitten als in Oberösterreich. Diese Wahlen waren teilweise noch vor der Flüchtlingskrise. Die Politik ist in Misskredit. Es ist der Eindruck entstanden, dass in der großen Koalition die große Bremsung passiert. Wir haben im kommenden Herbst die letzte Chance. Das Duo Kern/Mitterlehner und die Regierung müssen beweisen, dass sie etwas zusammenbringen. Sie sind gewählt, um etwas zu leisten und nicht, um sich gegenseitig zu blockieren. Jede Streiterei ist Futter für den Erfolg des Herrn Strache. Wir müssen realisieren, dass der Hauptkonkurrent nicht die SPÖ sein wird, sondern die FPÖ. Für die Sozialdemokraten gilt das genau so.

Wir haben in den vergangenen zwei, drei Jahren einen Wettbewerb geführt wie wenn wir Regierung und Opposition wären. Entweder bringen die Regierungsparteien gemeinsam etwas zustande oder sie werden verlieren. Die Landespolitik wird in Mitleidenschaft gezogen. Kleines Wasser folgt großem Wasser, das ist so.

Entweder es gibt im Herbst Lösungen oder die Koalition ist gescheitert?

Wir dürfen uns nicht mit 500.000 Arbeitslosen abfinden. Es muss eine große Initiative für den Arbeitsmarkt geben. Es muss eine Konjunkturoffensive folgen. Die Länder sind bereit, hier mitzuwirken. Wir müssen bei den neuen Themen wie der Digitalisierung erfolgreich sein. Wir müssen bei der Forschungsquote voranmarschieren.

Welche Projekte haben Sie für den Herbst geplant?

Startschuss für eine Breitbandoffensive und Digitalisierung. Die Erhöhung der Forschungsquote auf vier Prozent bis 2020. Da muss im Herbst der nächste Schritt kommen. Wir werden uns in der Bildung besonders engagieren, denn ein Land wird dann das erste Land in der Republik sein, wenn es die besten Schulen hat. Das haben wir bei der Zentralmatura und bei der Regionalauswertung von PISA bewiesen. Dazu kommen die Reform im Sozialbudget und die Deregulierung. Die überbordende Bürokratie verdrießt den Unternehmern das Wirtschaften.

Die innerparteilichen Wogen in der ÖVP, die es nach der Landtagswahl gegeben hat, haben sich etwas geglättet. Oder täuscht der Eindruck?

Wir haben nach der Wahl eine kritische Situation gehabt. Wenn man Mandate in Regierung und Landtag verliert, ist das nicht angenehm und nicht einfach. Wir haben die Probleme in freundschaftlicher Art gelöst und sind gut aufgestellt. Es wird natürlich in der Funktionsperiode Verjüngungen sowohl in der Regierung als auch in der Landtagsmannschaft geben. Das ist vorbereitet und wird zum gegebenen Zeitpunkt ordentlich durchgeführt werden.

Für 2018 gibt es Vereinbarungen zum Wechsel für Abgeordnete.

Für 2018 und 2019 gibt es vereinbarte Termine für Mandatswechsel. Es ist aber kein Geheimnis, dass ich die Periode nicht ausdiene. Das heißt, es wird auch Änderungen in der Regierung geben.

Wann?

Zum gegebenen Zeitpunkt. Ich habe gesagt, dass ich nicht bis 2021 tätig sein werden. Jetzt ist das erste Jahr noch nicht zu Ende.

Denken Sie bei Ihrer Planung bereits an Ihr Ausscheiden?

Der kluge Mensch denkt nicht nur bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus politischen Ämtern, sondern er hat immer die Endlichkeit des Lebens, also auch das Lebensende im Visier.

Sie sind derzeit offiziell auf Urlaub. Oder ist das ein klassischer Pühringer-Urlaub, bei dem der Landeshauptmann zwar in Mondsee nächtigt, er aber täglich nach Linz ins Büro fährt und sonstige Termine wahrnimmt?

Täglich fahre ich nicht nach Linz, aber vielleicht ein Mal in der Woche. Wenn man im Inland Urlaub macht, und ich mache fast ausschließlich Urlaub in Oberösterreich, dann bleibt man mit dem Land verbunden. Und in einer Funktion wie der des Landeshauptmannes ist man nie ganz auf Urlaub. Man ist immer in Bereitschaft. Wenn irgendwo eine Katastrophe ausbricht, ist der Landeshauptmann natürlich da. Im Urlaub schlafe ich mich aus, gehe bergsteigen, wandern, baden, lesen, Rad fahren, nehme mir Zeit für die Familie, Kulturverstaltungen besuchen. Mir wird die Zeit zu kurz und nicht zu lang.

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