Die Mörder sind immer öfter die engsten Vertrauten

Psychiaterin Sigrun Roßmanith: "Man hat das Streiten verlernt"
90 Prozent aller Tötungsdelikte spielen sich im Familienkreis ab. Eine alarmierende Entwicklung findet Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith.

Der Mann, der nach 20 Ehejahren seine Frau erschlägt. Der Sohn, der kein eigenständiges Leben führen darf und seine Mutter ersticht, um auszubrechen: Die überwiegende Zahl der Mordfälle in Österreich spielt sich mittlerweile in der eigenen Familie ab. Die Ermittler brauchen in den meisten Fällen nicht lange nach den Tätern zu suchen.

Die bekannte Gerichtspsychiaterin Sigrun Roßmanith beobachtet diese Entwicklung besorgt. Als Psychiaterin und Therapeutin kennt sie die Gründe für die immer häufiger ausufernde Gewalt im Familienkreis: "Es ist ein Ausdruck mangelnder Konfliktfähigkeit. Man hat in unserer Gesellschaft das konstruktive Streiten verlernt. Daher kommt es zu Gewaltausbrüchen", erklärt die Sachverständige, die von Berufs wegen den Geisteszustand von Mördern und anderen Kriminellen beurteilt.

Lange Vorgeschichten

Tötungsdelikte im Familienverband haben oft lange Vorgeschichten: "Es stauen sich lange Aggressionen auf, die sich irgendwann in einem Kraftakt entladen". In den meisten Fällen tötet derjenige, der in der Beziehung der Schwächere ist. "Frauen neigen eher zu Gewalt, wenn sie von ihrem Partner nicht loskommen – Männer hingegen dann, wenn sie die Frau daran hindern wollen zu gehen", sagt die Psychiaterin.

Bei den Leichenfunden vom Traunsee dürfte es sich um eine der Aufsehen erregendsten Beziehungstaten der vergangenen Jahre handeln. Der Täter hat nicht davor zurückgeschreckt, sein Opfer zu zerstückeln, den Kopf in einen Betonklotz einzumauern und die Überreste im See zu versenken.

Generell werden heute viel weniger Morde und Totschläge verübt als noch in den 1980- und 1990er-Jahren: Die Zahl der jährlichen Tötungsdelikte ist in den vergangenen zwanzig Jahren von über 110 auf unter 40 gesunken.

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