"Die Konsumenten sind zu treu"

Georg Rathwallner
Georg Rathwallner hat dem Konsumentenschutz seinen Stempel aufgedrückt. Jetzt geht er in Pension.

Als Chef der Konsumentenschutzabteilung der AK Oberösterreich hat Georg Rathwallner ein Vierteljahrhundert für Gerechtigkeit am Markt gekämpft. Unmittelbar vor seinem 65. Geburtstag geht er ab 1. Juli in Pension und übergibt seine Abteilung an seine langjährige Stellvertreterin Ulrike Weiß.

KURIER: Sie haben Ihre Abteilung mit fünf Mitarbeitern übernommen. Heute arbeiten hier 42. Ist unsere Konsumwelt so auf Schutz angewiesen?Georg Rathwallner: Es sind die Anforderungen gestiegen. Der Konsument ist zugleich aber auch viel selbstbewusster als früher. 1991 hatten wir 6000 Beratungen, derzeit sind es knapp unter 100.000. Als die Konsumenten 2012 von der Telefon-Callingwelle überrollt wurden, kamen wir auf 120.000 Fälle.

Österreichweit gesehen ist da ein gewaltiger Schutzapparat am Werk.

In der Arbeiterkammer Oberösterreich hat der Konsumentenschutz schon einen besonderen Stellenwert. Wir bearbeiten hier rund doppelt so viele Fälle wie in Wien, Niederösterreich oder der Steiermark. Die größte Informationsebene ist aber unsere Homepage. Dort findet man alles zu Produktwarnungen, Rechten und jede Menge Information.

Wie wichtig sind die Wächter der Konsumwelt?Unseriöse Angebote oder irreführende Werbung muss man aufdecken. Vor allem im Lebensmittelbereich. Große Konzerne haben Chemiker, Techniker und Juristen, die ausloten wie kostengünstig produziert werden kann und Standards gerade noch eingehalten werden. Ein Beispiel war die Welle der Light-Produkte. Da haben wir Produkte getestet, die hatten weit mehr Zucker drinnen als ein konventionelles Produkt. Absolut Kurioses spielt sich noch immer im Bereich der Gebrauchsanleitungen ab. Da haben unsere Versuche große Mankos aufgedeckt.

Wie nützlich ist das Sicherheitsnetz der EU in einem globalen Markt mit all seinen Vorteilen und Risiken?

Da gibt es natürlich begrüßenswerte gesetzliche Beiträge. Aber bei deren Durchsetzung mangelt es im Bereich des Konsumentenschutzes doch sehr. Auch sehe ich da sehr hohe bürokratische Barriere. In der EU wurde ja Anfang der 2000er-Jahre das Leitbild vom mündigen Konsumenten erstellt. Aber den gibt es leider nicht.

Also ist es wichtiger im Binnenmarkt Schutzmechanismen aufzubauen?Internationale Zusammenarbeit ist schon auch sehr wertvoll. Als Vertreter Oberösterreichs war ich in einem Netz, in dem nur Regionen wie der Trentino, Katalonien, der Elsaß oder auch Ostbelgien und noch viele andere vertreten waren. Einmal im Jahr haben wir uns getroffen und über aktuelle Geschehnisse und Trends ausgetauscht. Die Problematik, etwa der Internetbetrug, war nämlich ohnehin überall gleich. Erfolgsrezepte gegen Missstände wurden dort präsentiert. Die Regionalorganisationen haben davon gegenseitig profitiert und man man musste daheim nicht das Rad neu erfinden.

Ist der Gesetzgeber im Bereich des Konsumentenschutzes aktiv genug?

Wir arbeiten im Vorfeld. Gibt es auffällige bedrohliche Tendenzen, dann schlagen wir Alarm. Das war etwa so als es vor einigen Jahren die Welle der Festnetzkeiler gab. Da wurden ältere Leute am Telefon gefragt, ob sie zu einem billigeren Tarif wechseln wollen. Hat jemand Ja gesagt, galt das als Abschluss. Eine Gesetzesänderung hat dem einen Riegel vorgeschoben. Jetzt muss ein Vertrag mit Unterschrift vorgelegt werden.Sie haben sich ja auch mit den Banken angelegt? Es ging darum, dass in den 1990er-Jahren die Banken Leitzins-Vorteile nicht gleich an die Kunden weitergegeben haben. Da haben wir am Verhandlungsweg viel erreicht. Eine Bank mussten wir klagen. So ist es gelungen, dass rückwirkend für die Jahre 1993 bis 1997 2,8 Millionen Zinsen an die Kunden ausbezahlt werden mussten.Wie mündig schätzen Sie den Konsumenten ein?

Der Konsument hätte die Zügel vor allem über den Wettbewerb in der Hand. Preisvergleiche liefern Kaufargumente. Das haben wir im Telekom- und Versicherungswesen bewiesen. Im Europa-Vergleich haben wir deshalb noch immer sehr günstige Tarife. Leider ist der Konsument in Österreich im Gegensatz zu Deutschland keiner, der den Wettbewerb antreibt.Wie meinen Sie das?

Tatsache ist, dass Österreich das zweitteuerste Land in Europa ist. Aber der Österreicher ist halt gerne Stammkunde. Er wechselt ungern. Das schlägt sich im Preisniveau nieder. Haarscharf die selben Drogerieprodukte kosten in Deutschland um 30 Prozent weniger als in Österreich. Auch bei den Lebensmitteln liegen wir deutlich über dem deutschen Preisniveau. Dazu gesagt werden muss aber, dass bei uns die Qualität höher ist.Noch mehr Interessantes über die Psyche des Konsumenten?

Ein gutes Beispiel für die Trägheit des österreichischen Kunden liefert auch der Strommarkt. Im Schnitt könnten sich Energiekunden jährlich 120 Euro ersparen, würden sie zu einem günstigeren Anbieter überlaufen. Aber es wechseln nur drei Prozent. Ähnlich ist es bei den Banken. Interessant ist die Motivation jener, die tatsächlich gewechselt haben. Acht von zehn sind zu einem anderen Anbieter gegangen, weil sie sich schlecht behandelt fühlten oder das Service mies empfanden. Nur zwei von zehn haben wegen des günstigeren Preises gewechselt.

Ist das Nützen von Rabatten und Jubiläumspreisen geeignet, um zu sparen?Im Lebensmittelhandel werden mit Rabatten Kunden ins Geschäft gelockt. Verdient wird dann mit Produkten, die zusätzlich eingekauft werden. Eigentlich erzeugt die tagtägliche Rabattjagd einen unglaublichen Stress.Wie sehen Sie die Zukunft des Online-Marktes?

Im Lebensmittelbereich stockt die Sache weiterhin. Aber Konsumgüter wie Textil, Schuhe oder Elektrowaren werden noch mehr im Netz gekauft werden. Natürlich werden da wieder große Unternehmen gegenüber kleinen Vorteile haben. Bankfilialen werden zu einem Auslaufmodell. Das Online-Geschäft ist relativ sicher und die Banken forcieren es. Das wird weiter stark zunehmen.

Wie hält es eigentlich der Profi-Konsumentenschützer selbst mit dem Einkaufen? Ich bin kein guter Käufer, brauche extrem lange bis ich mich entscheide. Schlimm ist, wenn ich Lebensmittel kaufe, dann vergleiche ich ganz genau. Bis meine Frau sagt, die Leute schauen schon.

Mit Ihrem Wissen können Sie in der Pension als Konsulent bei Firmen oder als Ombudsmann sicher wertvolle Dienste leisten.Nein, das will ich nicht. Ich ziehe einen Schlussstrich unter das Kapitel Konsumentenschutz. Es gab schon Angebote. Und gute Freunde haben Angst, dass ich plötzlich in ein Loch falle. Aber ich habe genug private Pläne, Hobbys und Interessen. Sprachen und Reisen werden mich weiter beschäftigen. Meine Frau und ich wollen etliche schwarze Flecken in Oberösterreich erkunden.

Sie leben seit zwei Jahren in Linz? Wir hatten die Wahl nach Wien oder nach Linz zu ziehen. In Linz ist das Angebot, vor allem auch kulturell, riesig. Außerdem ist man im Handumdrehen in einer herrlich vielfältigen Landschaft.

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