Detroit erholt sich langsam

Detroit, USA
GM, Ford und Chrysler weiten Produktion aus, Europäer und Asiaten bevorzugen den Sun Belt.

In Detroit, der ehemaligen Welthauptstadt des Autos, herrschen Verhältnisse, die sich ein Europäer kaum vorstellen kann. Große Teile der Vorstädte sind unbewohnt, die Häuser abgebrannt, heruntergekommen und verwahrlost. Wer das Glück hat, zum Beispiel einen Job beim Autohersteller Chrysler zu bekommen, kann sich freuen. Der Lohn beträgt monatlich 2300 bis 2500 Dollar, aber nur zwölf Mal jährlich. Die Urlaubsansprüche sind minimal. In den ersten fünf Jahren hat der Fließbandarbeiter bei Chrysler eine Woche Urlaub. Ist er bereits zwischen fünf und zehn Jahren bei der Firma, sind es zwei Wochen, bei über zehn Jahren drei Wochen und über 15 Jahren vier Wochen.

Grand Jeep Cherokee

Aber bei Chrysler geht es wieder aufwärts. Davon konnte sich eine oberösterreichische Wirtschaftsdelegation unter der Führung von Landerat Michael Strugl kürzlich bei einem Betriebsbesuch überzeugen. Wurden 2005 rund 278.000 Autos hergestellt, war 2009, dem Jahr der Wirtschafts- und Finanzkrise, mit 60.000 der Tiefpunkt. 2014 stieg die Produktion auf 361.000. Chrysler, das inzwischen zum Fiat-Konzern gehört, beschäftigt in Detroit 4500 Mitarbeiter. Die Hälfte der an der Fließbandlinie Arbeitenden sind Frauen. Hauptprodukt ist mit 80 Prozent der auch hierzulande bekannte Grand Jeep Cherokee. 23 Prozent der Chrylser-Autos gehen in den Export, für Österreich sind heuer 645 Cherokee vorgesehen. Die durchschnittliche Produktionszeit eines Autos dauert rund 32 Stunden.

Das erscheint lange, denn Henry Ford (1863–1947), der Begründer der amerikanischen Autoindustrie, hat vor hundert Jahren seinen Ford T in einer Stunde und 33 Minuten gebaut. Zu den besten Zeiten verließen 10.000 Autos pro Tag die Produktionsstätten. Sein Vater William Ford, ein Farmer und gebürtiger Ire, der nach Amerika ausgewandert war, hatte seinen ältestesten Sohn Henry zur Tante nach Detroit geschickt, damit der techniktalentierte Bub dort eine Maschinisten-Lehre absolvieren konnte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Antisemit Ford gezwungen, Waffen für die US-Armee herzustellen. 1945 erreichte Detroit mit zwei Millionen die höchste Einwohnerzahl seiner Geschichte. Ford bezahlte seine Arbeiter gut, damit er genügend Kräfte fand. Außerdem sollten sich seine Leute sowohl sein Auto als auch ein Haus leisten können. Mit der Ölkrise in den 1970er-Jahren und den damit gestiegenen Benzinpreisen kam der erste Einbruch in Detroit, das neben Ford auch General Motors und Chrysler beherbergt. Zum totalen Niedergang kam es durch die Krise 2008. General Motors ging ebenso Pleite wie die Stadt selbst. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 18 Prozent, ein Drittel der Bewohner wurden als "in Armut lebend" klassifiziert. Rund 80.000 Häuser stehen leer.

Aufschwung

Mit dem Abschluss des Konkurses der Stadt im vergangenen Herbst wurde der Tiefpunkt überwunden. Neue Firmen haben sich angesiedelt, die Arbeitslosigkeit sank auf 5,6 Prozent. Die Investitionen gehen in die Milliarden. Die US-Autoindustrie weitet die Produktion in Detroit wieder aus, während die europäischen und asisatischen Hersteller den Sun Belt, den Süden der USA, bevorzugen. Die Löhne sind dort billiger und es gibt keine Gewerkschaften.

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