Der Papst trifft eine Märtyrerkirche

Bischof Massafra vor einem Kreuz mit Bildern ermordeter Priester.
Die verschiedenen Religionen arbeiten hier am Balkan in vorbildlicher Art und Weise zusammen.

Wenn Papst Franziskus heute, Sonntag, am Vormittag in Tirana landet, ist das ein außerordentliches Ereignis. Obwohl nur rund 15 Prozent römisch-katholisch sind, sehen die drei Millionen Albaner in der eintägigen Visite ein Signal der Hoffnung. Sie fühlen sich als Europäer und wollen in die EU. Der Papstbesuch bedeutet, dass sich der Blick der Europäer auf das kleine Land am Balkan richtet.

Albanien ist – abgesehen von Italien – das erste europäische Land, in das Franziskus kommt. Er besucht nicht ein großes reiches Land wie etwa Deutschland, sondern eine arme, aber hoffnungsfreudige Region. Die brutale Herrschaft der Kommunisten unter Enver Hodscha hat jegliche religiöse Betätigung untersagt. Besonders die römisch-katholische Kirche ist eine Märtyrerkirche. Zahlreiche Priester und Mönche waren gefoltert und ermordet worden. "Der Papst will Menschen besuchen, die unter dem Kommunismus gelitten haben", sagt Nuntius Ramiro Moliner Inglès. Der Dialog der Kirchen sei gut organisiert, jeder respektiere den anderen. Erst kürzlich habe es gemeinsame Erklärungen gegen die Terrorgruppe IS und gegen gleichgeschlechtliche Ehen gegeben.

Die Kirchen sind voll

Als Papst Johannes Paul II. 1993 Albanien besucht hatte, hat er mit der Weihe von vier Bischöfen den Grundstein für den Wiederaufbau der Kirche gelegt. Heute gibt es sechs Diözesen, der jeweils ein Bischof vorsteht. 200 Priester kümmern sich um die Gläubigen, nur 34 sind Albaner. Die meisten stammen aus Italien. Dennoch: "Wir stehen heute besser da als jemals in unserer Geschichte", sagt Rrok Kola Mirdita, der Erzbischof von Tirana, "unsere Kirchen sind jeden Sonntag voll mit jungen Leuten. Wir erleben hier das Gegenteil der Kirche im Westen." Der Erzbischof erlebte am eigenen Leib, wie schnell es aufwärts ging. In den 1990er-Jahren betreute er die Albaner in New York. Plötzlich rief ihn Erzbischof John Josef O’Connor an und teilte ihm mit, dass ihn der Papst zum neuen Erzbischof von Tirana ernannte habe. "Ich habe den Hörer aufgelegt, weil ich es für einen Scherz gehalten habe."

Auch Mirdita bestätigt das gute Zusammenleben der verschiedenen religiösen Gemeinschaften. "Wir veranstalten interkonfessionelle Versammlungen. Bevor die Dinge explodieren, kommen wir zusammen."

Die albanisch-orthodoxen Gläubigen machen rund 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung aus. Die Mehrheit der Albaner sind Muslime. Die Orthodoxen sind in vier Diözesen gegliedert, es gibt 360 Pfarren, 150 Priester und acht Bischöfe. In der Hauptstadt wurde mithilfe von Spenden eine neue Kathedrale errichtet (großes linkes Bild), im Untergeschoß wurde ein moderner Veranstaltungssaal eingebaut.

Armut und Korruption

Die Katholiken sind vor allem im Norden Albaniens beheimatet, rund um die Stadt Skhodra. Erzbischof Angelo Massafra benennt auch die Schwächen der Albaner. "Die Korruption ist ganz groß." Sie ist auch eines der Haupthindernisse für den EU-Beitritt, von dem sich die Albaner eine Steigerung des Wohlstands erwarten. "Die Leute hier in der Stadt wissen oft nicht, wovon sie leben sollen. Viele Menschen haben nicht einmal 50 Euro im Monat. Wenn sie keine Kinder haben, wissen sie nicht, wie sie die Wohnung bezahlen sollen."

Das Gift des Kommunismus wirkt bis heute nach. "Die Leute erwarten alles vom Staat. Wir müssen die Denkweise ändern", sagt Pater Gazmend Tinaj, Provinzial der Franziskaner. "Wir wollen Europäer sein."

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