Chinesen wollen die Produktion verdoppeln

Jonathan Chu, China, Steyr Motors
Phoenix Tree HSC Investment will Steyrer Firma zu einem weltweiten Player machen.

Die chinesische Investorengruppe Phoenix Tree HSC Investment hat vor einem halben Jahr Steyr Motors von Rudolf Streicher erworben. „Wir wollen das Unternehmen zu einer weltweit agierenden Dieselmotorengruppe ausbauen“, erklärt Jonathan Chu, der Vorsitzende der Geschäftsführung im KURIER-Interview.

Als ersten Schritt streben die Chinesen eine Verdoppelung der Kapazität an. Ein Hauptabsatzgebiet sei China, das mit 14 Millionen Dieselmotoren jährlich den größten Bedarf hat.

Die chinesische Investorengruppe Phoenix Tree HSC Investment hat im vergangenen September Steyr Motors übernommen. Jonathan Chu ist Vertreter von Phoenix in Oberösterreich. Der 49-jährige Chinese hat in Mannheim Wirtschaftsinformatik studiert.

KURIER: Wie ist Ihre Erfahrung bei Steyr Motors?
Jonathan Chu: Wir haben es mit Mitarbeitern zu tun, die von der Tradition und Ausbildung her innovationsorientiert und kreativ sind. Das ist ein großer Unterschied zu China und Asien, wo die Menschen konformitätsorientiert sind und gleichmäßig denken.

Was macht Ihre Firmengruppe?
Liu Changle ist der Gründer. Er ist in Schanghai geboren und bekannt als Gründer der Phoenix Mediengruppe. Er hat gute Kontakte mit der chinesischen Diaspora weltweit wie auch zu Privatinvestoren, die ihn sehr schätzen. Phoenix Tree Capital ist im Grunde eine Plattform für Investitionen außerhalb des Medienbereichs. Steyr Motors ist das erste Projekt. Wir sind eine rein private Unternehmensgruppe.

Sind Sie mit der Acquisition zufrieden?
Alle Ziele, die wir uns in der ersten Phase vorgenommen haben, sind in Erfüllung gegangen. Wir haben jedoch noch große Herausforderungen vor uns. Wir wollen Steyr Motors von einem österreichischen Technologieunternehmen zu einer weltweit agierenden Dieselmotorengruppe ausbauen.

Welche Dimensionen soll der Ausbau umfassen?
Wir waren bisher nur in einem Nischenmarkt aktiv. Es geht um Hochleistungsmotoren für relativ enge Anwendungsbereiche. Für Militärfahrzeuge, für die Marine und für die Luftfahrt. Wir haben uns bisher in einer Apothekermenge bewegt.
Wir sind gut, teuer und produzieren kleine Stückzahlen. Wir haben aber das Potenzial für größere Märkte, auf denen höhere Stückzahlen benötigt werden. Unser Business-Modell ist relativ einfach. Wir nutzen drei Aspekte Chinas. Erstens: Die niedrigen Herstellungskosten in China. Die chinesische Zulieferindustrie hat einen Reifungsgrad erreicht, sodass sie weltweit zuliefern kann. Zweitens: Wir setzen auf den wachsenden chinesischen Markt als Absatzgebiet für unsere Motoren. Das ist eine historische Chance. China ist der weltweit größte Dieselmotorenmarkt und benötigt jährlich 14 Millionen Motoren. Das zahlenmäßige Wachstum hat sich abgeschwächt, gleichzeitig werden qualitativ bessere Motoren benötigt. Hier sehen wir unsere Chancen.
Auch in China werden die Bestimmungen für den Ausstoß von Schadstoffen verschärft. Unsere Motoren sind denen unserer Mitbewerber in China voraus. Der dritte Aspekt ist der chinesische Finanzmarkt. Er ist einer der aktivsten weltweit. Wir wollen dieses Kapital aus China und Hongkong für Steyr Motors nutzen. Steyr wird als Entwicklungs- und Innovationszentrum verstärkt, das Forschungsbudget wird aufgestockt.

In welchem Ausmaß wollen Sie in Steyr investieren?
Wir planen zumindest eine Verdoppelung der bisherigen Kapazität. Wir werden in China die Motoren mit chinesischen Komponenten für den chinesischen Markt versehen, damit wir dort wettbewerbsfähiger werden. Gleichzeitig versuchen wir mit der Einkaufsstruktur, die wir in China aufbauen, unsere Kostenstruktur zu verbessern. Wir waren früher zu teuer, deshalb sind wir bei Apothekermengen geblieben. Wir wollen nicht nur bei den Stückzahlen quantitativ wachsen, sondern auch qualitativ. Wir wollen unsere Technolgieführerschaft durch Kapitalzufluss auf dem höchsten Niveau zuhalten.

In welcher Form wird das vor sich gehen?
Wir sind an der Börse von Shenzhen notiert. Unser Mutterkonzern ist die Finanzierungsplattform für unser Wachstum.

Reisen wir Europäer nach Asien, bekommen wir von potenziellen Investoren zu hören, dass in Europa die Löhne, die Sozialabgaben und die Steuern zu hoch sind und dass die Gewerkschaften zu stark sind.
Das ist nur die halbe Wahrheit. Die Gesellschaftsstruktur ist in Europa so gewachsen. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil, weil sie relativ gelassene Lebensbedingungen ermöglicht.
Nur unter diesen Lebensbedingungen kann man kreativ sein. Wenn man ständig unter Stress ist, um überleben zu können, kann man nicht kreativ sein. Das europäische Sozialnetz ist eine wesentliche Grundlage für eine innovationsorientierte Gesellschaft. Ich sehe es positiv, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem kooperativen Verhältnis zusammenarbeiten. Das fehlt in China und den Schwellenländern. Es stimmt, dass die Lohnkosten hier hoch sind. Diese sind gerechtfertigt durch die höhere Produktivität. Man kann auf zwei Arten wettbewerbsfähig sein. Entweder man verbessert sich ständig und verkauft Qualitätsprodukte oder man produziert große Mengen auf billige Weise. Aber so kann man nur mäßig gute Produkte auf den Markt bringen.
In Europa und Asien haben sich zwei verschiedene Gesellschaftsformen entwickelt. Es macht Sinn, zwischen beiden eine konstruktive Partnerschaft einzugehen. Eine Partnerschaft funktioniert nur, wenn man sich gegenseitig braucht. Asien braucht Innovation, Mut zum Experimentieren und soziale Absicherung.
Europa braucht andererseits die asiatischen Länder wegen der niedrigen Herstellungskosten, der Fähigkeit, große Stückzahlen produzieren zu können und es braucht den Fleiß der Asiaten. Asien bietet auch große Absatzmärkte. Das sind gute Voraussetzungen für Geschäftsbeziehungen. Das ist auch genau das, was wir hier bei Steyr Motors versuchen.

Das europäische Modell hat also Zukunft?
Absolut. Insbesondere die skandinavischen und nordeuropäischen Visionen. Das sind viel bessere Modelle als die nordamerikanischen und als auch die heutigen asiatischen.

Die Asiaten sind sehr selbstbewusst und sagen, uns gehört die Zukunft.
Das ist grundsätzlich falsch. Die Zukunft gehört jedem. Eine Selbstbetrachtung, die sich selbst als Übermacht sieht, ist nie gesund. Man sollte von den anderen lernen. Es gibt stets verschiedene Zeitphasen. Wenn man die vergangenen 2000 Jahre betrachtet, war China einmal hoch entwickelt und die anderen weniger stark. Rom war einmal hoch entwickelt, die Germanen galten als Barbaren. Es gibt dann wieder Phasen, in denen das umgekehrt ist. Entwicklungen verlaufen nie linear. Wenn jemand behauptet, ihm gehört die Zukunft, dann ist sein Abgang schon vorprogrammiert.

In Europa herrscht teilweise Angst vor asiatischen Investoren, die hier Firmen aufkaufen.
Sie ist teilweise berechtigt. Es gibt ein Geschäftsmodell, das bereits gescheitert ist. Es gab Investoren, die kauften hier Firmen und transferierten sie nach Asien. Sie bauten in Europa ab. Sie meinten, mit dieser gekauften Technologie in China aufblühen zu können. Diese Investoren haben eines vergessen. Das Wichtigste sind die Köpfe der Menschen. Wenn man die Mitarbeiter verliert, hat die Firma nur mehr ein Viertel ihres Werts.

Was macht Europa für asiatische Investoren so interessant?
Für mich persönlich ist es der Kontrast. Auf der einen Seite die Massenproduktion von Standardprodukten, auf der anderen Seite wird in Europa in kleiner Stückzahl produziert. Man kreiert immer wieder Neues. Das macht Europa interessant. Europa ist möglicherweise für Nordamerikaner nicht so interessant wie für Asiaten. Je größer der Unterschied, umso interessanter wird es.

Wo hat Europa Schwächen?
Der Arbeitstakt ist hier gemütlicher als in Asien. Das hat Vor- und Nachteile. In Europa denkt man die Sachen zuerst durch und setzt sie dann um. In China neigt man schnell zu Aktivismus und überlegt unterwegs.

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