„Brauchen wir wirklich so viele Gemeinderäte?“

„Brauchen wir wirklich so viele Gemeinderäte?“
Bauernbundpräsident Jakob Auer sorgt sich um den ländlichen Raum. Sparen könne man allenfalls bei der Zahl der Gemeinderäte.

Jakob Auer (63) aus Fischlham ist Obmann des österreichischen  Bauernbundes, Nationalratsabgeordneter und Präsident der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich.

KURIER: Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel  hat erklärt, dass 90 Prozent der Bauern keine Einkommenssteuer zahlen. Stimmt das?
Jakob Auer: Der Herr Tumpel ist nicht ganz am letzten Stand der Dinge. Die pauschalierte Besteuerung ist nichts anderes als eine vereinfachte Besteuerung. Wo kein Einkommen  erzielbar,  wird auch keine Einkommenssteuer bezahlt. Es gibt ja 2,7 Millionen Menschen in Österreich, die keine Steuern zahlen. Das Einkommen der Bauern ist noch immer deutlich niedriger  als vor dem EU-Beitritt. Egal, ob man sich die Preise für Milch oder Fleisch ansieht. Es gibt keine Bevölkerungsgruppe, die ein derartiges Minus aufzuweisen hat. Das können die Ausgleichszahlungen bei Weitem nicht kompensieren.

Das heißt, es geht den Bauern schlechter als vor dem EU-Beitritt.
Das glaube ich nicht.  Denn die Struktur der Landwirtschaft hat sich dramatisch verändert. Heute  sind die Betriebe   erheblich größer. In meiner Ortschaft waren früher neun Betriebe, die bewirtschaftet wurden, heute sind es nur mehr zwei.

Die landwirtschaftliche Bevölkerung ist in Österreich auf drei Prozent geschrumpft. Wo liegt die Zukunft?
Die Landwirtschaft hat durchaus eine Zukunft. Vielleicht sogar wesentlich stärker als vor 20 Jahren. Die Weltbevölkerung wächst pro Jahr um 80 Millionen. Der Energie-Hunger  steigt. Der Lebensstandard in vielen Entwicklungsländern steigt, die Menschen essen mehr Fleisch. Die Fläche für die Produktion  wird geringer. In Deutschland verschwinden jedes Jahr 100.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche durch den Bahn- und Straßenbau. Wenn   man gleichzeitig ökologisch wirtschaften  und  die Produktionsergebnisse steigern soll, weil der Nahrungsmittelbedarf da ist, dann braucht man eine produktive Landwirtschaft.  

Die Prognosen sagen, dass die Nahrungsmittelpreise weltweit steigen werden.

Die Löhne sind in der Vergangenheit wesentlich stärker gestiegen als die Nahrungsmittelpreise.

Der internationale Finanzinvestor Jim Rogers empfiehlt den Jungen, in die Landwirtschaftsproduktion einzusteigen. Wegen der steigenden Preise.
Ich bin auch überzeugt, dass die Landwirtschaft Zukunft hat. Aber wenn das stimmen würde, was manche Trend- und Zukunftsforscher behauptet haben, da wären wir schon im glorreichen Land. So schnell wird es nicht gehen.

In welchen Bereichen liegt die Zukunft?
Die Landwirtschaft wird in Zukunft weiterhin Nahrungsmittel erzeugen, in bester Qualität. In zweiter Linie Futtermittel, in dritter Linie Energie. Teller, Trog und Tank. Ich bin dagegen, mehr Greening (Stilllegung) zu machen, wie das der EU-Kommissar vorschlägt, Ich plädiere vehement dafür, den Sojaanbau zu verstärken. Damit sind wir weniger abhängig vom Ausland, wir können Wertschöpfung erzielen, wir können produzieren. Die Mentalität des Stilllegens ist nicht bäuerlich.

Wie lange wird der Strukturwandel noch anhalten?
Er ist  unaufhaltsam, bedauerlicherweise. Wer anderes erzählt, sagt nicht die Wahrheit.   Das soll man ganz leidenschaftslos sehen. Ein Getreidebauer mit 50 Hektar macht das nebenbei. Viehhaltung und Spezialisierung ist ganz etwas anderes. Da kann er mit zehn Hektar voll beschäftigt sein.  Wer vor 50 Jahren gesagt hätte, dass wir heute da sind, wo wir sind, wäre belächelt worden.

Wir beurteilen Sie die große Koalition?
Deutlich verbesserungsbedürftig.  Sowohl  im Verhältnis nach innen als auch  im Auftritt nach außen.

Es gibt zwar ein Sparpaket, aber  keine Verwaltungsreform.  Warum  tut sich hier die Koalition so schwer?
Vieles, was hier in der Verwaltungsreform propagiert wird, ist nicht so einfach, wie es dargestellt wird.  Jeder sagt zwar, es gibt zu viele  Gesetze,  außer er ist betroffen. Dann ruft er sofort nach neuen Gesetzen. Wenn man die Verwaltungsstrukturen so straffen würde, wie das manche fordern, ist der ländliche Raum der Verlierer. Denn dann sind die Ämter nur mehr in den Zentren.   Aber jene Leute, die die Besiedlung des Raumes aufrecht erhalten, die die Kultur  erhalten,  die die Einsatzkräfte stellen,  sind  die Bewohner des ländlichen Raums.

Es geht ja ganz wesentlich um Reformen der Zentralverwaltung. Wirtschaftskammerpräsident Leitl beziffert die Einsparungen mit Milliarden.
Diese Zahl bezweifle ich. Aber eine Milliarde würde ich mir zutrauen. Ein Beispiel für den Bürokratiefilz. Wenn in Marchtrenk ein kleines Kätzchen gefunden wird, müssen aufgrund der Verordnung zum Tierschutzgesetz alle 24 Gemeinden des Bezirkes Wels-Land einen Aushang mit detaillierten Beschreibungen machen. Nach Ablauf der vierwöchigen Kundmachung müssen der Tierschutz-Ombudsmann, das Tierheim und  die Polizei verständigt werden.  Der  Naturschutz ist aufgebläht, hier gäbe es viele Einsparmöglichkeiten.  Man soll einige erfahrene Amtsleiter der Gemeinden einladen, Einsparungsvorschäge auszuarbeiten.  Ich bin überzeugt, dass hier einiges machbar ist.

Die Industriellenvereinigung und die FPÖ fordern vehement Gemeindezusammenlegungen. Sie waren 32 Jahre  Bürgermeister von Fischlham. Was halten  Sie davon?

Gar nichts.  Man braucht nur  den Gemeindebericht der Kommunalkreditbank lesen. Hier wird nachgewiesen, dass in den Gemeinden bis 2500 Einwohner die geringsten Verwaltungskosten anfallen. Es ist die Frage zu  stellen, ob wir so viele Gemeinderäte benötigen. In Tirol haben Gemeinden mit 8000 Einwohnern dieselbe Anzahl von Gemeinderäten wie in Oberösterreich bei 1500 Einwohnern.  

Sie hatten ein gutes Verhältnis zu Kanzler Wolfgang Schüssel. Wäre eine kleine Koalition ÖVP-FPÖ beweglicher? Kann man mit Strache eine Koalition machen?

Das bezweifle ich. Er hat mit Sicherheit nicht das Format des Jörg Haider.

Die  FPÖ hat noch immer ein Problem  mit der Vergangenheitsbewältigung.

Offensichtlich. Über seine Äußerungen kann man nur den Kopf schütteln.  Wenn Strache ein Typ wie Haimbuchner wäre, wäre das etwas anderes.

Sie sind in einem Alter auf dem Höhepunkt der Laufbahn, in dem andere Politiker normalerweise in Pension gehen.
(lacht) Ich kenne viele, die älter sind. Macht ist für mich nichts anderes als etwas machen zu können. Jeder muss wissen, dass das vergänglich ist. Jeder Friedhof ist voll von Leuten, die sich für unersetzbar gehalten haben.

Was ist Ihre Stärke?
Wenn man in der Politik etwas erreichen will, muss man manches Mal auf die Urheberschaft verzichten können. Das kann ich. Ich lege auf Eitelkeiten keinen  Wert. Man soll sich auch zurücknehmen können. Mir ist es weit lieber, strategisch zu denken und die einen oder anderen Fäden zu ziehen.

Sie sind auch Präsident der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich. Wie war das, als Sie von der Hausdurchsuchung erfahren haben?
Ich war schockiert. Letztlich habe ich damit gerechnet. In den  Medien wurden ständig Verdachtsmomente lanciert.  Es gibt sicher manche, die   sich freuen würden, wenn man bei uns endlich einmal etwas finden würde. Wir wollen hundertprozentige Aufklärung. Aus eigenem Interesse, auch ich persönlich. Wir kooperieren auch hundertprozentig mit den Behörden.

Was halten Sie von Karl Heinz Grasser? Er war ja ein Liebkind der kleinen Koalition.

Wenn die Vorwürfe stimmen würden, wäre ich persönlich sehr enttäuscht. Ich wäre mehr als verwundert.

Bedeutet der Wechsel von Ludwig Scharinger zu Heinz Schaller als Generaldirektor eine strategische Neuaufstellung der Bank?
Kurzfristig mit Sicherheit nicht. Was mittel- und langfristig sein wird, ist etwas anderes. Die beiden sind verschiedene Persönlichkeiten mit verschiedenen Akzenten. Jede Führungsperson muss bestimmte strategische Ausrichtungen setzen.  Sie haben einen  anderen Stil. Grundsätzlich ist das Haus hervorragend aufgestellt. Scharinger hinterlässt ein hervorragendes Fundament.

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