"Anhebung nur unter Bedingungen"

„Zuerst müssen die Frauen gleichgestellt werden, bevor man ihr Pensionsalter auf 65 Jahre anhebt“: August Wöginger
Der zukünftige ÖAAB-Landesobmann bremst bei Schellings Pensionsanhebungs-Plänen.

August Wöginger ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP. Der 40-Jährige wird am 29. Mai zum Landesobmann des ÖAAB gewählt und folgt Franz Hiesl nach.

KURIER: Sie sind ein Multifunktionär. Sie sind in Ihrer Heimatgemeinde Sigharting Vizebürgermeister und ÖAAB-Obmann, sie wurden vor zehn Tagen mit 100 Prozent als Bezirksparteiobmann von Schärding bestätigt, Sie werden nun zum Landesobmann des ÖAAB gewählt. Weiters sind Sie in Wien ÖAAB-Generalsekretär, Abgeordneter zum Nationalrat, Sozialsprecher der ÖVP und Klubobmannstellvertreter. Wie bringen Sie Sie das alles unter einen Hut?

August Wöginger: Ich pendle viel. Ich bin heute (Montag, Anm. d. Red.) beispielsweise in Linz, erledige Termine, war bereits mit einigen Musikvereinen beim Landeshauptmann. Abends fahre ich nach Wien, wo ich bis Freitag bleibe. Dann geht es retour, wo es zu Hause weitergeht.

Ein Politiker rund um die Uhr.

Ja. Den Vizebürgermeister werde ich im Herbst übergeben, ich bleibe aber im Gemeinderat. Die Funktionen in Wien bündeln sich.

Sie werden nun Landesobmann des ÖAAB, eine Funktion, die Sie von Franz Hiesl übernehmen. Traditionell ist der ÖAAB-Obmann auch Landeshauptmannstellvertreter. Nun rückt aber statt Hiesl Klubobmann Thomas Stelzer nach. Wann kommen Sie in die Landesregierung?

Das kann man jetzt nicht sagen.Wichtig ist, dass Stelzer nach der Wahl in die Regierung kommt. Das ist vereinbart und auch gut so. Stelzer kommt aus dem ÖAAB.

2018 endet die Legislaturperiode im Nationalrat. Werden Sie dann in die Landesregierung wechseln?

Ich bleibe jetzt einmal in meinen Funktionen auf der Bundesebene. Alles andere wird man sehen.

Wollen Sie in die Landesregierung?

Das kommt immer darauf an, ob es passt oder nicht. Wichtig ist, dass Stelzer jetzt einmal in die Regierung kommt. Man kann in der Politik heute nicht sagen, was in drei oder vier Jahren ist. Das sind Spekulationen. Mir macht die Arbeit im Land und im Bezirk viel Spaß.

Der ÖAAB-Mann in der Regierung ist vorläufig Thomas Stelzer?

Ja, das ist er.

Welche Aufgaben sehen Sie als ÖAAB-Landesobmann?

Ich übernehme ein sehr gutes Haus. Oberösterreich steht im Vergleich zu den anderen Bundesländern wirklich gut da. Einen Schwerpunkt möchte ich in der Betriebsarbeit setzen. Mehr Service. Wir sind Servicepartei. Die schwarze Arbeitnehmerschaft muss sichtbar werden.

Die roten Gewerkschafter dominieren, das hat die Arbeiterkammerwahl wieder eindeutig bewiesen.

Sie sind eine riesige Maschinerie, sowohl im ÖGB als auch in der Arbeiterkammer. Dort, wo wir in den Betrieben vertreten sind, haben wir gute Leute. Ich bin selbst mehrere Male beim Roten Kreuz als Betriebsrat gewählt worden. Das ist Knochenarbeit. Aber wenn man sich für die Mitarbeiter vor Ort einsetzt, wird das auch anerkannt. Hier spielt die Parteifarbe weniger eine Rolle als vielmehr das Engagement für die Kolleginnen und un d Kollegen. Der öffentliche Dienst ist immer noch ein Kerngebiet von uns.

Wofür stehen Sie ideologisch-inhaltlich?

Ich bin ein Mensch mit Werten und Prinzipien und ich lebe auch danach. Die Familie ist für mich ganz zentral. Ich bin ein Bürgerlicher. Darunter verstehe ich jemanden, der arbeiten geht, sich sein Geld verdient, sich ehrenamtlich engagiert und sich in der Gesellschaft einbringt. Ich bin einer, der auf die Menschen zugeht.

Sind Sie liberal, konservativ, christlich-sozial?

Ich bin christlich-sozial. Bei den Begriffen konservativ und liberal kann ich mich schwer einordnen. Wenn wir die christliche Soziallehre wirklich leben, auch als Volkspartei, dann treffen wir den Nagel sehr gut auf den Kopf.

Wirtschaftsforscher Karl Aiginger spricht sich als eine Konsequenz der Steuerreform für die Anhebung des Pensionsalters aus.

Man muss das anders argumentieren. Ich bin hier auch unglücklich über die Aussagen von parteieigenen Leuten. Wir müssen als ersten Punkt die Frauen bei der Anerkennung der Kindererziehung gleichstellen. Es müssen die vier Jahre pro Kind zur Gänze angerechnet werden. Wir haben hier eine Lücke, die zu schließen ist. Derzeit ist es so, dass einer Frau, die innerhalb von zwei Jahren zwei Kinder bekam, sechs Jahre angerechnet werden. Wir sind für acht Jahre.

Dann gibt es Frauen, die gearbeitet haben, geheiratet und Kinder großgezogen haben und dann vielleicht auch zu Hause jemanden gepflegt haben. Sie sind aber nicht in die Erwerbstätigkeit zurückgegangen. Sie bringen jene 15 Jahre an Erwerbszeiten nicht zusammen, die für einen Pensionsanspruch notwendig sind. Im neuen System, das seit 2005 gilt, kann man die Hälfte der 15 Jahre mit Kindererziehungszeiten aufwiegen. Beim alten System, wo das in den Erläuterungen steht, sagt der Oberste Gerichtshof (OGH), das ist zu wenig, das muss ins Gesetz. Das muss unbedingt ins Pensionspaket, denn die Frauen haben einen wertvollen Dienst für die Familien und Gesellschaft geleistet.

Der dritte Punkt ist die Schieflage zwischen Beamtinnen und ASVG-Versicherten bei den Kindererziehungszeiten. Man glaubt es kaum. Eine Lehrerin erhält im Altrecht maximal ein Jahr Kindererziehungszeit angerechnet. Das muss man mit dem ASVG gleichstellen, wo es zwei Jahre sind. Wenn man diese drei Punkte erledigt, kann man allenfalls über die Anhebung des Pensionsalters der Frauen reden.

Wir vom ÖAAB pochen darauf, dass das aber in dieser Legislaturperiode bis 2018 nicht erfolgen darf.

Derzeit ist für die Gleichstellung das Jahr 2024 vorgesehen.

Die Gleichstellung ist derzeit im Verfassungsrang für den Zeitraum 2024 bis 2033 festgelegt. Wenn die Ungleichheiten erledigt sind, kann ich mir vorstellen, fünf Jahre vorher zu beginnen.

Also ab 2019?

Ab der nächsten Periode. Denn für diese Periode haben die Parteiobmänner Spindelegger und Faymann versprochen, dass sie das nicht machen. Das muss man aus Gründen des Vertrauensschutzes einhalten.

Für Männer beträgt das gesetzliche Pensionsalter 65, das tatsächliche liegt bei 59,5 Jahren. Hier besteht eine Kluft.

Wir sollten bis 2025 ein tatsächliches Alter für alle von 62 Jahren erreichen. Die Anhebung um ein Jahr bringt bis zu 1,4 Milliarden Euro. Wir können das aber nicht erreichen, wenn wir nicht die Frauen angleichen. Ich halte eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters auf 67 für nicht sinnvoll, weil wir zuerst das tatsächliche anheben müssen. Wir haben unter Kanzler Wolfgang Schüssel die Harmonisierung eingeleitet, aber sie dauert bis 2028. Dann gibt es noch die Spezifika in den Ländern, wo zum Beispiel die 70.000 Wiener Beamten mit 55 in Pension gehen.

Man muss das zusammenführen. Im ersten Schritt sollten einmal alle Gruppen bis 60 arbeiten, dann bis 62. Schritt für Schritt sollten wir uns der steigenden Lebenserwartung annähern.

Worum geht es im Pensionssystem? Es geht um den Zuschuss des Steuerzahlers. Wir bewegen uns um die Größenordnung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das sind rund zehn Milliarden Euro, die der Staat in Summe für alle Gruppen zuschießt. Die Beamten sind hier nicht eingerechnet, weil es hier keine Dienstgeberbeiträge in der Aktivzeit gibt.

Sind die drei Prozent nicht zu hoch?

Das ist aus meiner Sicht in Ordnung. Aber diese drei Prozent dürfen uns nicht aus dem Ruder laufen. Berechnungen zeigen uns aber, dass der Anteil 2019 auf 3,7 Prozent ansteigt. Das hört sich nach nicht viel an, aber es ist sehr viel Geld.

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