„Wir essen uns Krankheiten an“

04.09.2013, Linz, Politik, Bild zeigt Alois Stöger, Foto Alfred Reiter
Der Gesundheitsminister über seine politische Zukunft und günstigere Zahnspangen.

Alois Stöger (53) ist seit 2008 Gesundheitsminister. Er stammt aus Allerheiligen und wohnt in Feldkirchen an der Donau.

KURIER: Es gibt Überlegungen, Ihr Gesundheitsressort mit einem anderen zusammenzulegen. Das kann Ihnen doch nicht gefallen?

Alois Stöger: Ich sehe das ganz gelassen. Der Sozialdemokratie war die Gesundheit immer sehr wichtig. Bruno Kreisky hat es eingeführt. Wir haben im Ministerium gerade mit der Gesundheitsreform wichtige Aufgaben. Ich mache mir hier überhaupt keine Sorgen.

Die oberösterreichische SPÖ hat Sie mit dem vierten Platz auf der Landesliste relativ schlecht behandelt, finden Sie nicht auch?

Ich habe einen guten Listenplatz im Mühlviertel (den zweiten, Anm.d. Red.), ich bin auf der Bundesliste gut gereiht (auf dem 16. Platz, Anm.d.Red.).

Sind Sie nicht zu vornehm für die Politik?

Ich finde es gut, wenn man vornehm ist. Politik muss Vornehmheit vertragen.

Sie treten nicht mit Machtansprüchen auf.

Ich habe einen Auftrag von der Bevölkerung und begegne ihr auf Augenhöhe. Ich halte es für eine Demokratie nicht angemessen, mit vorgeschobenen Machtansprüchen aufzutreten. Autoritäres Gehabe ist mir persönlich zuwider.

Die Boston Consulting Group hat in einer Studie erhoben, dass in den vergangenen zehn Jahren die Sterblichkeitsrate nach Herzinfarkten um die Hälfte gesunken ist. Dadurch konnten 6900 zusätzliche Leben gerettet werden. Würde Österreichs Gesundheitssystem an der Spitze der OECD-Staaten sein, hätten es 5000 zusätzliche Leben sein können.

Die Frage ist, woran man ein gutes Gesundheitssystem misst. Ich war kürzlich in der Steiermark. Da wurde mir im Krankenhaus ein Zimmer gezeigt, ich habe gefragt, wo ist die Patientin? Die Antwort war, sie ist 93 Jahre alt und bekommt gerade eine neue Hüfte. Wir haben bei der Versorgung der Menschen einen ganz exzellenten Zugang. Hier gibt es kaum ein vergleichbares Land. Das bedeutet nicht, dass man nicht besser werden kann. Wenn wir die Qualität verbessern, sparen wir auch Kosten. Mir ist die Einführung von A-IQI (Austrian Inpatient Quality Indicators Project) ganz wichtig, wo wir aus den Routinedaten der Spitäler mehr Qualität generieren wollen. Dieses Modell wollen wir auch beim niedergelassenen Bereich umsetzen.

Die skandinavischen Staaten gehören beim Verhältnis Kosten-Qualität zur Spitze in Europa.

Wir können von anderen Ländern immer etwas lernen. Bei der Vorsorge sind sie einen guten Schritt weiter. Die Schweden haben zwei Gesundheitsminister. Einen für die klassische Gesundheitsversorgung, einen für public health.

Sollte man in der Vorsorge nicht noch mehr machen?

Ich bin der Gesundheitsminister in der Republik, der auf diesem Feld am meisten entwickelt hat. Ein Thema ist die richtige Ernährung für die Kinder. Wir essen uns Krankheiten an und bewegen uns zu wenig. Es geht um die Frage, wie man jetzt handeln kann, damit wir in 30 Jahren eine bessere Situation vorfinden. Dafür habe ich den Nationalen Gesundheitsplan vorgelegt. Wir wissen zum Beispiel, dass bereits in der Schwangerschaft die Geschmacksbildung von Kindern vorgeprägt wird. Dafür bieten wir für Frauen Beratungen an. Es geht um die Ernährung in den Schulen. Wir haben die „Initiative Schulbuffet“ gestartet, um die Kinderernährung zu verbessern.

Im Zuge der Recherchen zur Umsetzung der Spitalsreform bekommt man von den Führungskräften immer wieder zu hören, es gibt zu wenig Ärzte, die Turnusplätze können nicht besetzt werden.

Wir haben europaweit die höchste Ärztedichte. Wir müssen dafür sorgen, dass wir langfristig genügend Ärzte zur Verfügung haben. Ein wichtiger Schritt ist die Installierung der medizinischen Fakultät an der Universität Linz. Den generellen Ärztemangel sehe ich nicht. Einen Mangel gibt es etwa in der Psychiatrie. Es geht darum, die generelle Versorgung sicherzustellen. Den Allgemeinmediziner, der 24 Stunden sieben Tage lang zur Verfügung steht, gibt es nicht mehr und soll es auch nicht mehr geben. Wir brauchen neue Versorgungsformen wie die Gruppenpraxen. Hier ist die Umsetzung, leider auch durch die Informationspolitik der Ärztekammer, eine schleppende.

Wie wird sich die medizinische Fakultät langfristig auswirken?

Es wird für oberösterreichische Studenten attraktiver, sich für das Medizinstudium zu entscheiden. Die Verknappung der Studienplätze hat dazu geführt, dass die Anzahl der oberösterreichischen Medizinstudenten zurückgegangen ist. Es wird in der Gesamtregion neue Impulse an der Schnittstelle Medizin und Technik und Medizin und Versorgung geben. Neue Arbeitsplätze entstehen. Wir haben auch ausgezeichnete Spitäler in Oberösterreich. Ihre Akzeptanz wird durch die Forschung noch erhöht werden. Die Johannes-Kepler-Universität wird aufgewertet.

Sie treten für ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen ein, konnten sich aber gegen die Lobby der Trafikanten und Wirte, vertreten durch die Wirtschaftskammer, nicht vollständig durchsetzen.

Meine Position war immer, im öffentlichen Raum nicht zu rauchen. Dazu gehören Gaststätten. Für die Wirte wäre es attraktiver, wenn sie eine klarere Regelung hätten. Der Gesetzgeber hat in der vorherigen Periode das Gesetz so beschlossen wie es ist. Eine Änderung ist derzeit nicht denkbar. Mein Eindruck ist, dass es eine große Gruppe von Wirten gibt, die will, dass sie rauchfrei sind. Aber in der Wirtschaftskammer und in der ÖVP ist man nicht bereit eine andere Position einzunehmen.

Werden Sie nach der Wahl am 29. September einen neuen Anlauf für ein generelles Rauchverbot unternehmen?

Wenn ich eine parlamentarische Mehrheit sehe, den Nichtraucherschutz zu verbessern, werde ich diese nutzen. Österreich ist beim Nichtraucherschutz im internationalen Vergleich am untersten Ende.

Sie haben bekundet, dass Sie bereit wären, Vorsitzender der SPÖ Oberösterreich zu werden, falls man Sie fragen würde. Ist das nach wie vor so?

Ich habe gesagt, wenn man ein Ministeramt innehat, muss man auch Verantwortung für die Partei übernehmen. Das ist nach wie vor so. Ich habe das auch schon umgesetzt. Ich bin Vorsitzender des Bezirkes SPÖ Urfahr-Umgebung.

Hatten Sie in der Sache schon ein Gespräch mit Josef Ackerl?

Nein, wieso?

Weil er ja als Landesvorsitzender im November abtreten wird.

Der Landesparteitag wurde für November festgelegt. Dort werden die Entscheidungen zu treffen sein.

Was möchten Sie in der kommenden Legislaturperiode für Oberösterreich nach Hause bringen?

Das Wichtigste ist, dass wir das solidarische Gesundheitssystem stärken und ausbauen.

Das bedeutet kostenlose Gesundheit für alle.

Solidarisches Gesundheitssystem bedeutet, dass es einen Lastenausgleich gibt zwischen dem, der das Privileg der Gesundheit hat, und dem, der den Nachteil der Krankheit hat. Jeder hat Zugang zu den Leistungen, unabhängig von der Dicke der Geldtasche. Wir schützen vor den Gefahren des Lebens. Manche haben eine höhere Krankheitslast, andere eine geringere. Krankheiten sind nicht gerecht verteilt. Mir ist das deshalb so wichtig, weil in den Diskussionen in Europa derzeit den Menschen der Zugang zu den Gesundheitsleistungen erschwert wird. So in Spanien, Portugal, Griechenland.

Weil es sich der Staat nicht mehr leisten kann?

Sie hätten es sich schon leisten können, aber sie haben das Geld den Banken gegeben. Wir haben das in Österreich anders gemacht. Wir haben in der Krise in das Gesundheitssystem investiert. Wir haben 2009 mehr Arbeitsplätze gehabt als 2008. Wir wollen das Gesundheitssystem ausbauen. So müssen wir in der Zahnmedizin etwas tun. Kinder und Jugendliche müssen hier moderne Leistungen bekommen wie zum Beispiel Zahnspangen. Der zweite Schwerpunkt sind die psychischen Erkankungen. Wie können wir sie behandeln und zweitens dafür sorgen, dass sie gar nicht entstehen?

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