"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit"

Seit 1995 ist Backovsky Propst des Klosterneuburger Stiftes, seit 2010 Abtprimas und somit Oberhaupt über alle Augustiner Chorherren weltweit
Anlässlich des 900-Jahr-Jubiläums spricht Abtprimas Bernhard Backovsky offen über künftige Herausforderungen der katholischen Kirche

Glaube – Begegnung – Friede“ ist das Motto des diesjährigen 900-Jahr-Jubiläums des Augustiner Chorherren-stiftes in Klosterneuburg. „Genau das ist auch unser Stiftungsauftrag: Beizutragen für den Frieden, der im Kleinen wird und sich bis ins Große hin erweitern kann“, erklärt Propst Bernhard Backovsky. „Deshalb sehen wir uns auch als Ort der Begegnung, wo sich die begegnen sollen, die den Frieden auf ihre Fahnen schreiben. Da ist niemand ausgeschlossen“, sagt der Geistliche. Er ist nun der 66. Propst, der das Stift in seiner 900-jährigen Geschichte prägt, „66 Pröpste“ – so heißt auch eine der Ausstellungen, die anlässlich der Feierlichkeiten initiiert worden sind.

Positionierung

Nun neigt sich das Jubiläumsjahr dem Ende zu, doch die kulturellen, religiösen und spirituellen Veranstaltungen, die sich „wie die Zahnräder einer Uhr“ berühren, sollen auch in Zukunft weitergehen, wenn auch in ruhigerer Form. „Wer rastet, der rostet“, meint Backovsky. Nun schon fast zwanzig Jahre Ordensvater des Stiftes, wurde er 2010 auch zum Abtprimas, dem obersten Repräsentanten der Augustiner Chorherren weltweit, gewählt.
„Christus hat gesagt: Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig; das heißt, man muss mitgehen mit den Menschen, mit der Zeit, um feststellen, wie es ihnen geht, wo sie der Schuh drückt“, betont Backovsky. Das sei auch Hauptanliegen der Augustiner. Denn: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“, hebt der Abtprimas hervor. „Ich bin nicht gekommen zu richten, sondern zu retten“, zitiert er. Die aktuellen Sorgen und Nöte der Mitmenschen möchte er behandeln wie ein Arzt, nicht wie ein Richter, „einladend und anhorchend“ möchte er sie begleiten.

Miteinander

„Ich habe das Priestergewand nicht angezogen, damit ich einmal so in Erscheinung trete. Ich wollte immer bei den Menschen sein“, erzählt der Propst. Der seelsorgerische Auftrag ist ihm ein besonderes Anliegen: „Wenn jemand anruft, ich soll ins Krankenhaus kommen, lass’ ich alles stehen und liegen, das ist primär.“
Angesichts der aktuellen Krise der katholischen Kirche hofft Backovsky auf eine Neubesinnung. Er plädiert für einen ökumenischen Ansatz und nimmt die Ostkirche als Vorbild, die auch in Österreich anerkannt wird. „Sonst könnte ja der Wiener Kardinal keinen griechisch-orthodoxen Pfarrer mit Familie einsetzen“, meint der Abtprimas. „Das macht auch verdächtig, was wir unter Ehe verstehen“, sagt er in Richtung Zölibatsdebatte. Außerdem müsse man im Umgang mit Geschiedenen total umdenken. „Wenn die Liebe zweier Menschen erstorben ist – so interpretiert das die Ostkirche – ist auch das Eheband erloschen“, erklärt der Geistliche. Darum gibt es dort die sogenannte Segnung, die Wiederverheiratung.

Seelsorge

Die Chorherren betreuen 27 Pfarren, eine davon in Norwegen, zwei in den USA – „das sind die Fühler, die wir draußen haben.“ Vielfach sind auch „Laien“ in die kirchliche Arbeit eingebunden. „Ein Laie ist die Vorstufe zum Pfuscher“, sträubt der Abtprimas sich gegen den negativ besetzten Begriff.
Wenig hält er vom Modell des Kirchenbeitrags, er würde eine Kulturabgabe nach italienischem Vorbild bevorzugen, bei der jede Person entscheiden kann, wofür sie ihr Geld widmen will.

Untrennbar mit dem Stift ist der Wein verbunden: Auch das Stiftsweingut feiert heuer sein 900-jähriges Bestehen, es ist somit das größte und älteste Weingut Österreichs. Eine österreichische Besonderheit des Stiftsbetriebes ist auch, dass hier noch alle Schritte der Weinproduktion selbst durchgeführt werden: In den vier Weinbauorten Klosterneuburg, Wien, Gumpoldskirchen und Tattendorf werden neun Weißwein- und sieben Rotweinsorten kultiviert. Durch diese Streuung sei es möglich, „jede Rebsorte auf das für sie perfekte Terrain zu pflanzen“, erzählt Weingutsleiter Wolfgang Hamm.

Das Erfolgsgeheimnis

"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit"
Stift
Wichtig ist ihm, eine Vision zu haben, wie ein Wein werden soll. „Das Schönste an der Arbeit ist, dem Wein einen Stil zu verleihen, welcher der eigenen Vorstellung möglichst nahe kommt und den Leuten dann auch noch schmeckt.“ In den letzten Jahren hat das Weingut immer wieder Auszeichnungen, auch auf internationaler Ebene, eingeheimst. Weingutsleiter Hamm zeigt sich bescheiden: „Großer Wein ist nie das Ergebnis eines einzelnen Menschen, sondern immer die Zusammenarbeit von vielen.“
Doch nicht nur Weine höchster Qualität kultivieren die dreißig Mitarbeiter des Stiftsweingutes, auch Sekt und Obstsäfte sind fixer Bestandteil im Sortiment. Spezialisiert hat man sich auf sortenreine, naturtrübe Apfelsäfte: Erst bei Vollreife erfolgt die Ernte per Hand, dadurch werden ganz intensive Aromen freigesetzt, so Hamm.

Aus dem Nähkästchen

Was wenige wissen: Auch die Maßeinheit „Stifterl“ geht auf das Stift Klosterneuburg zurück. In den Fünfzigerjahren waren die Austrian Airlines auf der Suche nach geeigneten Weinen fürs Flugzeug: Erstmals wurde österreichischer St. Laurent aus dem Stiftsweingut in einer 0,375-Liter-Flasche ausgeschenkt. Vom Flugpersonal und den First-Class-Gästen war daher schnell die Bezeichnung „Stifterl“ geboren.
1860 hat das Stift Klosterneuburg die erste Obst- und Weinbauschule der Welt gegründet. „Das Stift ist ein landwirtschaftliches Mustergut, es war daher auch immer ein Anliegen, Wissen weiterzugeben“, sagt Wolfgang Hamm dazu.
Aushängeschild des Stiftsweinguts ist der St. Laurent: Ursprünglich stammt er aus dem Elsass, heute zählt er aber zu den autochtonen Rebsorten Österreichs.

"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit"
Wappen
... das nö. Landeswappen auf den Jagdrock des Heiligen Leopold zurückgeht?
Ursprünglich waren goldene Papageie auf blauem Stoff dargestellt. Später wurden sie zu Adlern umgewandelt, das sorgte für imperialen Touch.

... Klosterneuburg und Korneuburg ursprünglich zusammengehörten?
Den Grundstein zur Stiftskirche legte Leopold III. 1114 eigentlich in Neuburg. Als dieser Ort Anfang des 13. Jahrhunderts zu groß wurde, kam es zur Spaltung. Der südliche Teil wurde zu Klosterneuburg, der Teil nördlich der Donau hieß von nun an Korneuburg.

... bei einem Brand im Jahre 1330 mit Stiftswein gelöscht wurde?
Als das Löschwasser zur Neige ging, griff man zum Wein, um zu verhindern, dass der berühmte Verduner Altar ein Raub der Flammen wird.

... sich das Stift selbst beheizt?
2003 entstand ein eigenes Biomasseheizwerk. Das Holz aus dem eigenen Wald hält auch Rathaus und städtisches Spital warm.

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