Speckgürtel als Kaufkraft-Turbo

Der Slogan "Kauf im Ort" soll Perchtoldsdorfs Nahversorger stärken
NÖ führt erstmals Bundesländer-Ranking an. Die Gründe dafür finden sich rund um Wien.

Die Haltung zum Wiener Speckgürtel darf als ambivalent bezeichnet werden. Die einen schätzen die mondänen Wohngegenden unweit der Bundeshauptstadt. Andere fürchten die landestypische Regionalität durch die steigende Anzahl an "Exil-Wienern" bedroht. Doch der Zuzug aus Wien hat positiven Einfluss auf Niederösterreichs Wirtschaftsdaten.

Wie berichtet, bescheinigt eine aktuelle Erhebung von RegioData NÖ erstmals Platz eins im österreichweiten Kaufkraft-Ranking – vor Salzburg und Wien (siehe Grafik). Grund für die Trendwende: Immer mehr Menschen, die in Wien arbeiten und dort gut verdienen, wählen als Wohnsitz eine der Gemeinden rund um die Hauptstadt. Der KURIER begab sich auf Lokalaugenschein.

Lebensqualität

Perchtoldsdorf südlich von Wien. Im malerischen Winzerort ist die Lebensqualität hoch. Schulen und ein aktives Vereinswesen locken vor allem Familien. Hier liegt die Kaufkraft wie generell im Bezirk Mödling bei 25.674 Euro pro Person und Jahr. Den großen Zuwachs hat Perchtoldsdorf schon in den 90er-Jahren hinter sich gebracht. "Von 2001 bis heute sind wir nur um drei Prozent ge­wachsen", sagt Bürgermeister Martin Schuster. Der dörfliche Charakter und die Identität seien erhalten geblieben. Eine "Schlafgemeinde" sei Perchtoldsdorf daher nicht. "Ich gehen davon aus, dass 25 Prozent der Kaufkraft im Ort gebunden werden kann", schätzt Schuster. Das hat seinen Preis. Wohnraum ist teuer. "Die Anfang 20-Jährigen bis Mitte 30-Jährigen können ihr Wohnbedürfnis im Ort nicht abdecken", weiß Schuster. Er versucht mit Projekten für junges Wohnen gegenzusteuern.

Speckgürtel als Kaufkraft-Turbo

Ein Schicksal teilt Perchtoldsdorf mit anderen Speckgürtel-Gemeinden: Einkäufe die am Arbeitsort in Wien erledigt werden und zahlreiche Shopping Center ziehen Kaufkraft ab. Dennoch funktioniere die Nahversorgung gut, betonen Schuster und Vizeortschefin Brigitte Sommerbauer. Es gebe keine leeren Geschäfte, zwei haben eben erst neu aufgesperrt.

Das kann die WKNÖ bestätigen. Die lokale Wirtschaft profitiere von der gestiegenen Kaufkraft. "Mehr als 82 von 100 Euro, die die Niederösterreicher an Kaufkraft zur Verfügung haben, bleiben im eigenen Bundesland", sagt Karl Ungersbäck von der Sparte Handel. Und obwohl der Online-Handel wächst, konnte der regionale Handel ein Plus erzielen. "Das weist auf ein gesteigertes Wohlstandsniveau hin."

Strukturwandel

Neben dem Zuzug aus Wien hat die Politik auch andere Erklärungen für gute Entwicklung. "Wir haben in den letzten Jahren einen dynamischen Strukturwandel vollzogen", sagt Landeshauptmann Erwin Pröll. Die nö. Wirtschaft sei seit 2003 um 46 Prozent gewachsen, das Exportvolumen und die Beschäftigtenzahl merklich gestiegen, ergänzt Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav. "Wir haben die Chancen der EU-Osterweiterung gut genutzt."

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