Prozess: "Big business" mit Cannabis

Der 29-Jährige wurde zu 20 Monaten bedingter Haft verurteilt.
13 Angeklagte müssen sich seit vergangener Woche vor dem Landesgericht Wiener Neustadt in einem Geschworenenprozess wegen Suchtgifthandels verantworten. Sie sollen in Österreich Cannabis angebaut und vertrieben haben ­– und zwar im richtig großen Stil.

2.258 Cannabispflanzen, 81 Kilo Cannabiskraut und 10.346 Euro in bar, zudem 18 Mobiltelefone und drei Autos: die Suchtgiftfahnder erwartete ein professionell aufgezogenes Business, als sie nach langwierigen Ermittlungen die sechs Indoor-Plantagen der Angeklagten in einer großangelegten Aktion hochnahmen. Dem guten Dutzend an Verdächtigen wird nun in vorerst sechs Verhandlungsrunden, anberaumt bis 26.August, in Wiener Neustadt der Prozess gemacht. Sie müssen sich wegen Suchtgifthandels im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verantworten.

Köpfe der Bande waren laut Anklageschrift der Erst- und Viertangeklagte, ein 38-jähriger Immobilienmakler bzw. Hundetrainer und ein etwa gleichaltriger Lkw-Unternehmer. Vor zwei Jahren hätten die beiden beschlossen, das große Geld zu machen und ihre „Geschäftsidee“ zu verwirklicht. Sie organisierten das Personal, um die Indoor-Plantagen in Niederösterreich, der Steiermark und im Burgenland zu betreiben und kommunizierten dabei über mehr als ein Dutzend verschiedener Mobiltelefone. Teilweise mit gefälschten Reisepässen wurden die Häuser gemietet, die Stromzähler der energieaufwendigen Anlagen für die Aufzucht wurden manipuliert. Dem Stromversorger entstand dadurch angeblich ein Schaden von 200.000 Euro.

Erste Woche: Auftakt

Staatsanwalt Markus Bauer betont am ersten Prozesstag, dem 17. August, das Ausmaß der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung. 53,5 Kilo reines THC und eine Anbaumenge, die angeblich 350 Millionen Gramm Gras hergibt, sieht er in den sichergestellten Pflanzen. Bei einem Verkaufspreis am Schwarzmarkt von acht bis zehn Euro pro Gramm müsse ein „riesenwirtschaftlicher Faktor“ hinter den Aktivitäten der Angeklagten vermutet werden. Die Droge als harmlos abzutun, kommt für Bauer dabei nicht in Frage. Es handle sich schließlich um eine Einstiegsdroge, zudem leicht erhältlich, die sich auf die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit der Konsumenten auswirke. Auch Zusammenhänge zu Krebserkrankungen, Schizophrenie und hirnorganischen Veränderungen seien besonders als Gefährdung von Jugendlichen nicht zu unterschätzen.

Wolfgang Blaschitz, Verteidiger des Erstangeklagten, ist nicht der Ansicht, dass „hier die großen Capos“ am Werk waren. Er tut das Vorgehen seines Mandanten als „großartige, in Wahrheit saublöde“ Idee ab, die vom Staatsanwalt unterstellten Mengen seien „sehr ambitioniert“, den Stromdiebstahl des Angeklagten dementiert er. Der Verteidiger des Viertangeklagten, Elmar Kresbach, stuft Cannabis als harmlos ein, „Alkohol bringt wahrscheinlich mehr Menschen um“, sagt er dazu. Zudem sei bei der vorgeworfenen Bandenbildung eine „Gartenzwergvariante“ gewählt worden. Der Einsatz eines Schwurgerichts, der sonst nur bei schweren Verbrechen erfolgt, sei in diesem Fall wie „mit Kanonen auf Spatzen schießen“.

Einvernahme des Erstangeklagten

Der 38-jährige ungarische Staatsbürger mit serbischen Wurzeln, der laut Anklage als einer der Köpfe der Gruppe agierte, rechtfertigt den Cannabisanbau mit medizinischen Belangen. Seine Lebensgefährtin habe Multiple Sklerose, mit dem Cannabis sollten Öle hergestellt werden, die ihre Schmerzen lindern. Der Standort der ersten Plantage in Matzendorf (NÖ) sei gewählt worden, weil in Österreich eine liberalere Drogenpolitik herrsche, als beispielsweise in Serbien oder Ungarn, Setzlinge sind hierzulande legal erhältlich. Richter Gerald Grafl interessiert berechtigterweise, warum das Haus in Niederösterreich dann mit einem gefälschten Ausweis gemietet wurde. Zudem würden sich die Aussagen des Beschuldigten im Gerichtssaal stark von seiner Erstaussage bei der Polizei unterscheiden. Damals sprach er noch von serbischen Hintermännern, von denen er entlohnt würde. Heute sagt er, die Absicht hinter dem Anbau sei es gewesen, ein gesundes Kind von seiner gesunden Freundin zu bekommen. Außerdem sei kein Cannabis verkauft worden.

Zweite Woche: Wer spielte welche Rolle?

Die Befragung der 13 großteils serbisch-stämmigen Angeklagten geht in die nächste Runde. Prozesstermine in dieser Woche sind für Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag anberaumt. Am Montag, den 22. August, ist der Drittangeklagte, der Vater eines der Drahtzieher der Bande, an der Reihe. Genauso wie die bereits vernommenen Verdächtigen bestreitet er die Verbindungen zwischen den verschiedenen Plantagen. Die Telefonate, die zwischen den unterschiedlichen Häusern stattfanden und im Zuge der Telefonüberwachung aufgezeichnet wurden, kann sich der 65-Jährige nicht erklären. Er kenne sich bei Handys nicht aus.

Sein Sohn, Viertangeklagter und mutmaßlicher Kopf der Bande, gibt an, vorerst nichts mit dem Betrieb zu tun gehabt zu haben. Ein Freund, in diesem Prozess der Fünftangeklagte, hatte bereits in Matzendorf eine Indoor-Plantage eingerichtet, als er selbst im März 2014 nach Österreich kam. Die Montage der Plantagen in Frohnleiten, Hofern und Unternalb bei Retz habe er vorbereitet, über die in Zettling und Stotzing wusste er zumindest Bescheid. Dass sein Vater bei dem organisierten Betrieb eine größere Rolle gespielt habe, bestreitet er. Dieser habe lediglich Hilfsarbeiten verrichtet.

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