Autismus: "Ich möchte nur, dass aus Marcel etwas wird"

Sylvia Tschulena, Marcel Tschulena, Hohenau/March, Autismus, Förderbedarf, Landesschulrat
Der Fall eines Siebenjährigen zeigt Probleme bei der Betreuung autistischer Schulkinder auf.

Fröhlich zur Musik wippend sitzt Marcel am Fensterbrett der Küche im Haus seiner Mama in Hohenau/March. Ab und zu blättert der Siebenjährige Seiten eines Katalogs um. Jedes Mal muss seine Mama ebenfalls eine Buchseite umblättern. Marcel braucht Ordnung und Beschäftigung, denn er ist Autist mit ADHS. Zwei Mal pro Woche besucht er jeweils eine Stunde die Allgemeine Sonderschule im nahen Zistersdorf. Doch da gibt es laut seiner Mama Probleme rund um eine geeignete Stützkraft. Die Volksanwaltschaft ist eingeschaltet.

"Ich möchte doch, dass aus Marcel etwas wird. Ewig lebe ich ja auch nicht", sagt seine Mama Silvia Tschulena. Der Siebenjährige ist nicht geistig beeinträchtigt, kann jedoch nur wenige Wörter sprechen und bekommt mitunter Anfälle, bei denen er sich selbst verletzen kann. Er braucht ständig Betreuung.

Doch mit Anfang des Jahres konnte der Verein Autistenhilfe nur mehr für eine Stunde pro Woche eine – von Marcels Heimatgemeinde bezahlte – Stützkraft zur Verfügung stellen. In Marcels zweiter Stunde war "nur" die Sonderpädagogin in der Klasse – trotz Attesten, die eine persönliche Assistenz empfehlen.

Zwischenfall

Prompt lief laut Tschulena etwas schief: In einem unbeobachteten Moment soll eine Glasscherbe in Marcels Hände geraten sein. Erst als seine Mama die Volksanwaltschaft einschaltete, wurde eine zusätzliche Stützkraft der Schule zugeteilt.

Die, bekrittelt Tschulena nun, sei aber nicht entsprechend ausgebildet. Zudem befürchtet sie, dass ab Herbst seitens der Gemeinde überhaupt keine Stützkraft mehr bezahlt wird. Ortschef Robert Freitag will aufgrund eines drohenden Rechtsstreits dazu nichts sagen. Nur so viel: "Wir haben bisher alle Wünsche erfüllt und zwar freiwillig."

Generell fehlt Marcels Mama der Austausch mit der Schule. "Er ist aufnahmefähig, wenn man weiß wie. Aber da lässt sich die Schule nicht helfen", beklagt sie. Marcel habe häufiger Anfälle und habe wieder angefangen in die Hose zu machen.

Völlig anders klingt die Causa beim nö. Landesschulrat. Marcel scheine sich in der Klasse wohl zu fühlen, erklärt Sprecher Fritz Lengauer. Auch die Schule und die Klassenlehrerin seien mehr als bemüht. Zudem wird darauf verwiesen, dass die Stützkräfte der Schule sehr wohl im Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen geschult seien. Für Marcel, heißt es, wäre es sogar besser, mehr als zwei Stunden die Schule zu besuchen.

Das würde ihn überfordern, meint Tschulena. Sie hofft nun auf eine Genehmigung für Hausunterricht, um Marcel auf den Besuch in der weiter entfernten ASO Groß-Enzersdorf vorzubereiten.

Immer wieder sorgen Fälle, bei denen es Probleme rund um die Betreuung von autistischer Kinder geht, für Aufsehen.

Seit 2013 hat die Volksanwaltschaft bei zehn Betroffenen vermittelt, sagt Volksanwalt Peter Fichtenbauer. Generell seien NÖ Gemeinden und der Landesschulrat jedoch bestrebt, Betroffenen zu helfen, meint er. Laut der Leiterin der Schulpsychologie im nö. Landesschulrat, Andrea Richter, müssen Stützkräfte von der Wohnsitzgemeinde des Kindes finanziert werden. Das würden einige Kommunen jedoch anders sehen, berichtet Martin Felinger von der Autistenhilfe. Er kritisiert, dass es keine einheitliche gesetzliche Regelung im Land gebe. Auch Richter räumt ein, dass die Betreuung von Autisten in NÖ schwieriger sei als in Wien. "Man kann nicht alle Maßnahmen in dem Umfang zur Verfügung stellen." Natürlich werde alles getan, doch vielfach seien lange Verhandlungen notwendig, bis das richtige Personal gefunden und gut geschult werde. "Das verlangt viel Zusammenarbeit und Kommunikation."

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