Fünf Terrorverdächtige in einer Nacht

Im ersten Stock dieses Wohnhauses in Krems wurde ein Terrorist des „Islamischen Staates“ vermutet. Die Polizei brach die Türen auf und nahm zwei Terrorverdächtige fest.
Justiz verhaftete fünf Tschetschenen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden.

Exakt 70 dschihadistische Heimkehrer aus dem Bürgerkriegsland Syrien werden vom Innenministerium als "kaum kalkulierbares Sicherheitsrisiko für die Menschen in unserem Land" eingestuft und müssen vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Fünf Personen tschetschenischer Herkunft konnten Donnerstag von der Beobachtungsliste gestrichen werden. Bei ihnen reichten die Beweismittel für eine terroristische Betätigung aus: Sie wurden Donnerstagfrüh festgenommen.

Um 4.30 Uhr sprengten Polizeibeamte die Eingangstüren zweier Wohnungen in Krems auf, und nahmen zwei Tschetschenen fest. Sie vollzogen damit einen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Krems, denn die beiden stehen im Verdacht, als Söldner der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien gekämpft zu haben.

Fünf Terrorverdächtige in einer Nacht
Zugriff Wienerstra?e Krems
"Ich habe nur Lärm gehört, bin erschrocken und habe überhaupt nicht gewusst was los ist. Dann waren da viele Polizisten", berichtet eine Nachbarin. Seit etwa einem Jahr lebte die Tschetschenische Familie in dem Mehrparteienhaus. Doch niemand hatte Kontakt zu ihnen, weiß ein Nachbar: "Die Leute, die in der Wohnung leben haben kein Wort Deutsch gesprochen. Wir haben uns nur gegrüßt, sie haben höchstens Hallo gesagt, sonst weiß ich nichts über sie."

Noch mehrere Stunden nach dem Zugriff waren Beamte des Landesamtes für Verfassungsschutz mit der Durchsuchung der Wohnung und der Sicherung möglicher Beweise beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Krems bestätigte lediglich, dass es einen Einsatz gegeben hat.

Zugriff in Wien

In der selben Nacht schlug auch das Wiener Landsamt für Verfassungsschutz zu. In Wien-Meidling wurden eine Frau und zwei Männer auf Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien festgenommen. Auch bei diesen Personen handelt es sich um Tschetschenen, die über aufrechte Asylbescheide für Österreich verfügen sollen. Diese Amtshandlung hat aber mit dem Fall in Krems nichts zu tun. Den drei in Wien verhafteten wird kein Einsatz an der Front im syrischenen Bürgerkrieg vorgeworfen. Sie sollen aber im Jahr 2014 eindeutige Anstrengungen unternommen haben, als Terror-Söldner nach Syrien zu gelangen.

Das Innenministerium hat inzwischen die Zahl der terrorverdächtigen Österreicher wieder nach oben korrigiert. Nach dem neuesten Stand haben sich bisher 200 Personen aus Österreich an Kampfhandlungen in Syrien und im Irak teilgenommen. 30 sind dort zu Tode gekommen. 70 sind wieder heimgekehrt. 15 Heimkehrer sitzen in U-Haft, weil die Beweislage für ein Strafverfahren ausreicht.

Fünf Terrorverdächtige in einer Nacht
Zugriff Wienerstra?e Krems
Zum Islam konvertierte Österreicher, wie der jüngst zurückgekehrte Oliver N. sind dabei in der Minderzahl (der KURIER berichtete). Das Innenministerium spricht bei den meisten von "Personen mit Österreich-Bezug". Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge aus Tschetschenien.

Profi-Rekrutierer

Professionell organisierte Rekrutierungsnetzwerke setzen gezielt bei tschetschenischen Teenagern an. Viele von ihnen sind vom Bürgerkrieg in ihrer Heimat traumatisiert und meinen, sie könnten sich nur auf einem Schlachtfeld profilieren. Zum anderen spielen Tschetschenen bei der IS-Terrormiliz in Syrien eine prominente Rolle. Denn der "Islamische Staat" hat auch eine Reihe von Kommandanten aus Tschetschenien, die schon in ihrer Heimat gegen die russische Armee gekämpft haben. Die Tschetschenen betrachten sich als eine der "vier Säulen" der Terrormiliz.

Laut Verfassungsschutz handelt es sich bei den Terrorsympathisanten überwiegend um junge Männer mit schlechter Ausbildung. Oder um Frauen, die als potenzielle Ehepartnerinnen für Dschihadisten angeworben werden. Neben der Verschärfung von Gesetzen versucht das Innenministerium auch mit einer Reihe von Initiativen der Radikalisierung von Jugendlichen entgegenzuwirken. Das reicht von der Sensibilisierung der Landesschulräte bis zur zusätzlichen Ausbildung von Justizwachebeamten.

Frauen sind im selbst ernannten Terror-Kalifat in Syrien eine wertvolle und zugleich rare Ressource: Der Miliz Islamischer Staat (IS) fehlt es an Frauen für ihre Kämpfer. Die Anwerbeversuche über das Internet werden zu einer Herausforderung für den heimischen Verfassungsschutz. Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung durch das Innenministerium sind bis zum Stichtag 9. Februar 17 Frauen ausgereist. Sieben davon sind Jugendliche, wie etwa die Wienerin Samra K.

In mehreren Fällen konnten die Behörden Ausreisen verhindern. Zuletzt nahmen Ermittler in Graz zwei Schülerinnen, 15 und 16 Jahre alt, sowie einen Friseur-Lehrling (19 Jahre) mit tschetschenischen Wurzeln fest. Zwei sollen Heiratsversprechen abgegeben haben, die 19-Jährige via Skype einen Dschihadisten nach islamischem Recht geheiratet haben.

Die Ermittler stießen auf das Trio im Fall jener zwei Teenager aus Salzburg und Oberösterreich, die ebenfalls nach Syrien wollten. In Wien saß eine 16-Jährige zwei Wochen lang in U-Haft. Sie alle sollen auf sozialen Plattformen Kontakt mit Oliver N., der sich in der Vorwoche der Justiz gestellt hat, gehabt haben. Ob er dahintersteckt, oder nur sein Profil verwendet wurde, ist fraglich.

Ermittelt wird gegen die jungen Frauen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Bisher wurden sie aber mangels Substanz rasch enthaftet.

Die im Familienministerium angesiedelte Deradikalisierungshotline ist in den ersten drei Monaten von 225 Anrufern in Anspruch genommen worden. Das teilte Ressortchefin Sophie Karmasin (ÖVP) Donnerstagvormittag in der Frage des Nationalrats mit.

Der Großteil der Anrufer war weiblich, nähere Auskünfte gab die Ministerin nicht. Sie sieht aber einen Erfolg der als Reaktion auf die zunehmende Radikalisierung von Jugendlichen gegründeten Hotline. Denn in Deutschland hätten sich bei einer vergleichbaren Initiative innerhalb eines ganzen Jahres nur 200 Anrufer gemeldet. Als Grund für die vergleichsweise starke Inanspruchnahme in Österreich sieht Karmasin, dass die Hotline nicht im Innen- sondern im Familienressort etabliert wurde, was die Hemmschwelle für Anrufer senke.

Kindergeld: Begutachtungsentwurf vor Sommer

Noch nichts Neues konnte die Ministerin in Sachen Kindergeld-Reform berichten. Karmasin kündigte neuerlich an, dass vor dem Sommer ein Begutachtungsentwurf vorgelegt werden soll. Ihr Ziel ist unverändert, dass ein Pauschalbetrag die derzeit geltenden Varianten, die alle auf einen bestimmten Zeitraum abstellen, ersetzen soll. Denn erst dies würde echte Wahlfreiheit bedeuten. Zudem pocht Karmasin weiter auf einen Partnerbonus, um die Väterbeteiligung zu erhöhen.

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