Fitnesstrainer im Rollstuhl: "Mitleid nervt mich"

Früher war Seidl selbst Fitness-Freak. Jetzt berät er andere
Der 23-jährige Hollabrunner Philip Seidl ist seit einem Unfall querschnittgelähmt.
Fitnesstrainer im Rollstuhl: "Mitleid nervt mich"
Philip Seidl, Fitnesstrainer im Rollstuhl, Hollabrunn
Mit Mitleid kann Philip Seidl gar nichts anfangen. „Das zieht mich runter, das geht mir auf die Nerven“, sagt der junge Hollabrunner. Dass sich vor mehr als einem Jahr sein Leben komplett verändert hat, damit lebt er. Einen Tag besser, einen Tag schlechter. Seidl war ein körperbewusster, junger Mann, der viel trainierte. „Ein guter Körper, das war mir halt wichtig“, erklärt er. Und sein Hobby, das Fitnesscenter, hat er vor fünf Jahren zum Beruf gemacht. Bis er im März des vergangenen Jahres einen schweren Autounfall hatte – seither ist er von der Brust abwärts gelähmt. Seidl sitzt im Rollstuhl. Und fährt jetzt damit durchs Fitnesscenter Injoy.
Drei Tage pro Woche ist der 23-Jährige im Studio. Er berät Kunden, gibt ihnen Tipps bei der Ernährung und korrigiert sie, wenn sie die Trainingsgeräte falsch benutzen. Dass er dabei im Rollstuhl sitzt, geht unter. „Es traut sich keiner, negativ zu reagieren“, lächelt Seidl. Selbst trainiert er nur noch wenig. „Vieles geht nicht mehr. Und mein Körper braucht jetzt relativ lang, um wieder runter zu kühlen.“
Arbeit als Motor Die Arbeit treibt ihn an. „Das ist eine wichtige Abwechslung zum Alltag. Da musst du aufstehen.“ Und hier, sagt er, erfährt er kein Mitleid.
Was schmerzt, sind die kleinen alltäglichen Dinge, die plötzlich nicht mehr möglich sind. „In der Früh schnell ein paar Semmerln fürs Frühstück holen – das funktioniert nicht“, sagt er. Aufstehen, ins Auto hieven, Rollstuhl einladen, ausladen und wieder vom Auto hineinstemmen; solche Aktionen müssen gut geplant sein. Und schnell geht nichts. „Bei mir musste früher immer alles sofort sein.“ Die Geduld, die musste er lernen. Auch die Geduld mit sich. „Und du darfst nicht nachdenken, was plötzlich nicht mehr geht.“
Was geht, ist Auto fahren. Seidl hat sich ein Fahrzeug behindertengerecht umbauen lassen. Gas und Bremse bedient er mit der Hand. „Im Auto bin ich genau so schnell wie jeder andere“, sagt er. „Autos waren schon damals mein zweites, großes Hobby.“ Deshalb kaufte er sich vor mehr als einem Jahr auch ein Cabrio ohne Überrollbügel. „Ich hab’ es hergerichtet und wollte es in die Werkstatt bringen“, erinnert er sich. In einer Kurve, die er schon 1000 Mal gefahren war, trug es das Auto hinaus und überschlug sich. Die Fahrerseite wurde eingedrückt, Seidl eingeklemmt. Die Erinnerung daran fehlt ihm. Als er am nächsten Tag erfuhr, dass er querschnittgelähmt ist „habe ich das gar nicht wirklich mitgekriegt.“ Erst einige Tage danach realisierte er, dass er nicht mehr gehen kann. „Aber nach zwei Wochen wollte ich nicht mehr drüber nachdenken.“
WunschEr machte eine Reha, Therapie hat er auch heute noch täglich – damit die Gelenke nicht steif werden. Denn irgendwann, das wünscht er sich, wird ihm die Medizin helfen können. „So wie früher wird’s nicht mehr. Aber aufstehen, selbst hinsetzen können und vielleicht ein paar Meter mit Krücken gehen . . . das wäre klass.“

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