Eine ganze Pfarre in Aufruhr

Eine ganze Pfarre in Aufruhr
Missbrauchsverdacht ließ die Wogen bei der Versammlung im Pfarrsaal hoch gehen

Zu einer emotional geführten Diskussion entwickelte sich eine Pfarrversammlung am Samstag in Traiskirchen. Im Zentrum stand ein Abwesender: Der Pfarrer, der mit schweren Missbrauchsvorwürfen konfrontiert ist und vom Stift Melk vor drei Wochen abberufen wurden.

Viele Mitglieder der Pfarrgemeinde können und wollen diese Anschuldigungen nicht akzeptieren. Doch gestern wurden auch neue, belastende Details öffentlich.

Kritik

Abt Georg Wilfinger und Pater Jeremia Eisenbauer vom Stift Melk waren nach Traiskirchen gekommen, um zu informieren und diskutieren. Von einem guten Teil der rund 150 Teilnehmer wurden sie kritisch begrüßt: Warum das Stift die Vorwürfe gegen den Pfarrer in die Öffentlichkeit getragen habe, obwohl dessen Schuld doch gar nicht bewiesen sei. Die Vertreter des Stiftes stellten fest: „Sie müssen akzeptieren, dass er hier nie wieder Pfarrer sein wird.“

Dann wurde die unglaubliche Vorgeschichte erklärt: Der Pfarrer habe schon 2007 zu einer Familie, vor allem zur Mutter und zu einem heute 24-jährigen Sohn eine enge Freundschaft aufgebaut. „Sie fühlten sich ihm eng verbunden.“ Nur der Vater sei skeptisch gewesen. Dann plötzlich im Frühjahr 2012 habe der Sohn den Kontakt zum Pfarrer vermindert und schließlich die Freundschaft beendet. „Doch der Pfarrer hat ihn weiter mit SMS und eMails verfolgt. Der Höhepunkt der Stalkingattacken waren 20 bis 30 fingierte eMails, in denen er sich als EU-Beamter ausgegeben hatte“, sagte Pater Jeremia. Das habe der Pfarrer auch in einem Brief Anfang September zugegeben. Was der Pfarrer aber bestreitet, sind sexuelle Angebote und Attacken, von denen der Jugendliche erzählt. „Er, sein Bruder und ein Freund berichten von unerklärlichen Schlafzwangserlebnissen und Aussetzern bei Übernachtungen im Pfarrhof Traiskirchen“, sagte Pater Jeremia. Der Verdacht auf K.o.-Tropfen veranlasste den Vater dann zur Anzeige.

In der Pfarre haben sich nun Lager gebildet. Manche kritisieren das Stift andere loben, dass nicht vertuscht wird. „Wenn ein Pfarrer Jugendliche stalkt, ist das schon kriminell genug“, sagte eine Teilnehmerin.

„Ich glaube der Familie viel mehr als dem Pfarrer“, erklärte Pater Jeremia. Erst jetzt habe man entdeckt, dass der Priester einen vor drei Jahren verschwundenen Generalschlüssel des Stiftes bei sich gehabt habe. „Wir haben keinen Kontakt und wissen nicht, wo er ist. Es ist jedenfalls unmöglich, dass er nach Traiskirchen zurück kehrt“, meinte der Abt.

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