Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers

Alois Huber, 86, Vater des Amokschützen Alois Huber
Ein Jahr nach dem Amoklauf zittern Mutter und Vater von Alois H. um ihr Dach über dem Kopf.

Am Jahrestag der Tragödie von Annaberg wurde am Mittwoch der vier ermordeten Menschen gedacht, die der Wilderer Alois H. auf dem Gewissen hat. In seinem Wohnort Großpriel bei Melk, wo sich der Vierfachmörder nach seinen Taten erschoss, will hingegen niemand mehr an die Katastrophe erinnert werden.

In einem kleinen, alten Bauernhof – nur 100 Meter neben der Villa des Amok-Schützen – lebt der 86-jährige Alois H., der Vater des Wilderers. Der KURIER traf ihn am Mittwoch. "Einfach furchtbar" seien die Geschehnisse vor einem Jahr gewesen. Als er in der Früh die Hühner am Hof füttern wollte, wurde er von Cobra-Leuten gepackt und in ein Auto gerissen, erinnert er sich.

Bei der Frage nach seinem Sohn zögert Alois H. mit einer Antwort. Man habe miteinander zwar gesprochen, "aber er hat wenig Zeit gehabt und war selten da".

Ein furchtbares Lebensende habe der Sohn den Eltern beschert, beklagt der Vater. "Ich musste alles hergeben, auch den Betrieb mit drei Lkw. Sonst hätte ich die kleine Pension nicht bekommen. Jetzt ist alles weg." Das Lebenswerk, das er mit dem Kauf eines kleinen Häuschens begonnen hatte, ist vernichtet. Die momentane Wohnsituation ist zudem trist: "Wir haben oben im Bauernhof eine neue Wohnung eingerichtet. Dort dürfen meine Frau und ich aber nicht sein. Der Masseverwalter hat alles zugesperrt", berichtet der 86-Jährige. Denn die betagten Eltern hatten bei der Übergabe an den späteren Vierfachmörder nur das Nutz- und Wohnrecht für das Erdgeschoß am Bauernhof samt dem Kuhstall erhalten. Ihre Tochter, die im Nachbarort wohnt, bringt Jause und Mittagessen und kümmert sich auch sonst um die Eltern.

Jetzt bleibt H. nur eine Hoffnung – dass der Masseverwalter den Bauernhof nicht verkaufen kann. "So leicht wird das nicht", ist er überzeugt. In der alten Wohnung im Erdgeschoß würden dem gesundheitlich angeschlagenen Paar Wasseradern und Erdstrahlen das Leben ohnehin erschweren.

Cobra-Einsatz

In der Villa des Mörders sind die Spuren vom Großeinsatz vor einem Jahr alle beseitigt. Für die Spezialisten des Sondereinsatzkommandos Cobra war es der schwierigste in ihrer Geschichte. "So ein Bedrohungsszenario hat es vorher noch nie gegeben. Ein Täter der nicht flüchtet, sondern vier, fünf Mal aus dem Hinterhalt unsere Leute unter Beschuss nimmt", erklären der Leiter der Direktion für Spezialeinheiten, Bernhard Treibenreif, und Oberstleutnant Peter S.

Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers
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Der Zugriffskommandant der Cobra hat den "Sturm" auf Hubers Villa geleitet und saß selbst im Panzer, mit dem man am Abend des 17. September 2013 in die Hausmauer krachte. Die unorthodoxe Vorgangsweise wurde gewählt, um weitere Opfer zu vermeiden. "Der Panzer hat für uns die größtmögliche Sicherheit bedeutet. Wir mussten im Haus mit allem rechnen", sagt der Einsatzleiter.

Bei der Brutalität, die der Wilderer an den Tag legte, sei man sogar von Sprengfallen und einem Beschuss im Inneren ausgegangen. "Es kann hinter jeder Türe eine Gefahr lauern", spricht der erfahrene Beamte von einer enormen Anspannung der eingesetzten Kräfte.

Extremsituation

"In so einer Extremsituation hilft es nur, sich voll auf den Einsatz zu fokussieren", sagt Peter S. Dass zuvor bereits Kollegen sterben mussten, dürfe im Kopf keine Rolle spielen. "Es war aber sicherlich eine außergewöhnliche Extremsituation", schildert der Cobra-Beamte. Die Lage sei von der Einsatzleitung ständig neu beurteilt worden. Als es eigens ausgebildeten Cobra-Leuten gelang, lautlos und unerkannt bis in die Hofeinfahrt des Amokschützen zu gelangen, war es traurige Gewissheit, dass die Geisel tot ist. Der Beamte Manfred Daurer wurde leblos im gestohlenen Polizeiwagen entdeckt. "Von da an gab es keinen Zeitdruck mehr. Es ging darum die Sache so sicher wie möglich zu beenden", sagt der Zugriffskommandant.

Nervosität kam auf, als der Mörder trotz mehrmaliger Durchsuchung des Hauses nicht gefunden wurde. "Es gab die Vermutung, dass er durch einen Tunnel geflüchtet ist", so Treibenreif. Doch wenig später wurde der Eingang zum Waffenarsenal gefunden, in dem der Täter Feuer gelegt und sich erschossen hatte.

"Es war aber sicherlich eine außergewöhnliche Extremsituation", schildert S. Nach solchen Momenten werde einem die Gefahr des Jobs erst so richtig bewusst.

Die Erinnerung an den 17. September 2013 – sie ist längst nicht verblasst. Der Schmerz um den Verlust der Polizisten Manfred Daurer, Johann Ecker, Roman B. und des Sanitäters Johann Dorfwirth sitzt bei Angehörigen, Freunden und Kollegen noch immer tief. Das zeigte auch die berührende Gedenkfeier, die am Mittwoch in Annaberg, Bezirk Lilienfeld, abgehalten wurde.

Österreich hat vier Helden verloren“, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zu den hunderten Menschen, die bei einer Feldmesse den Opfern des Amokläufers ihre Ehre erwiesen. Der Tag sei „einer der dunkelsten Tage in der Geschichte der österreichischen Blaulichtorganisationen gewesen“, sagte Mikl-Leitner.

Für die getöteten Polizisten und den Sanitäter wurde ein 7,5 Tonnen schwerer Gedenkstein errichtet, der an der Kreuzung B20/B28 zu finden ist. „Der Gedenkstein macht deutlich, dass wir Verbrechen nicht vergessen und verdrängen, sondern den Opfern ein würdiges Andenken bewahren“, sagte Landesrat Stephan Pernkopf.
Neben den beiden ÖVP-Politikern waren auch Bischof Klaus Küng, Rot-Kreuz-Präsident Willi Sauer, Landesvize Karin Renner und Konrad Kogler, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, nach Annaberg gekommen.

Zum Abschluss der Gedenkfeier flog ein Polizeihubschrauber über die Gedenkstelle und verneigte sich vor den Opfern, Fallschirmspringer des Einsatzkommandos Cobra schwebten über die Kreuzung. Schließlich ließen die Angehörigen und Kollegen weiße Luftballons steigen. Im Gedenken an jenen Tag, der für viele Menschen einen tiefen Einschnitt in ihrem Leben bedeutete.

Es war einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre. Vor einem Jahr, am 17. September 2013, sind drei Polizisten, ein Sanitäter und ihr Mörder in Niederösterreich ums Leben gekommen, als Fahnder einen Wilderer suchten. Alois Huber durchbrach kurz nach Mitternacht in Annaberg (Bezirk Lilienfeld) eine Straßensperre und eröffnete das Feuer.

Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers
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Auf der Flucht kam der 55-Jährige mit dem Auto von der Straße ab und prallte gegen einen Zaun. Huber schoss dann in einen Streifenwagen und tötete einen 38-jährigen Cobra-Beamten. Ein zufahrendes Rettungsfahrzeug geriet ebenfalls ins Visier des Schützen, ein 70-jähriger Sanitäter wurde tödlich getroffen. Auf seiner weiteren Flucht zu Fuß stieß Huber bei Lassinghof auf eine Streife und feuerte auf die im Wagen sitzenden Beamten. Der 51-jährige Lenker kam ums Leben, der Wilderer zog den Toten aus dem Auto und warf ihn auf die Straße. Er tötete auch den zweiten Polizisten (44) und fuhr im Streifenwagen mit der Leiche zu seinem Anwesen in Großpriel bei Melk. Dort verschanzte er sich.

Ein Großaufgebot an Beamten, darunter Dutzende Cobra-Kräfte, umstellte in der Folge den Vierkanthof. Auch drei Panzer des Bundesheeres rückten an, Hubschrauber wurden angefordert. Immer wieder schoss Huber aus dem Haus. Erst Stunden später drangen Beamte in den Hof ein.

Bilder vom 17. September 2013

Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers

GEISELNAHME IN NIEDERÖSTERREICH
Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers

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Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers

foto mit Alois Huber werden von Nachbarn auf der G…
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Szenen aus Kolapriel bei Melk , Wilderer alois hub…
Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers

Szenen aus Kolapriel bei Melk , Wilderer alois hub…
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Szenen aus Kolapriel bei Melk , Wilderer alois hub…
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GEISELNAHME IN NIEDERÖSTERREICH: BLUTSPUREN

Geheimraum im Keller

In einem Geheimraum im Keller stießen sie schließlich auf die verbrannte Leiche des Täters. Huber hatte Feuer gelegt, bevor er sich mit einem Kopfschuss tötete. (den ausführlichen Bericht mit Hintergründen, Reaktionen und Interviews lesen Sie hier)

Monatelange Ermittlungen waren die Folge. In dem Geheimraum stieß die Polizei auf ein enormes Waffenarsenal, unzählige Jagdtrophäen und andere gestohlene Gegenstände. Fast drei Monate nach der Bluttat, am 19. Dezember, war die Sicherstellung der gestohlenen Gegenstände, u.a. 305 Schusswaffen, Munition, 90 Hirsch- und etwa 500 Reh- sowie 100 weitere Jagdtrophäen, abgeschlossen. Insgesamt wurden Alois H. 108 Straftaten in mehreren Bundesländern zugerechnet, der Schaden wurde mit 9,8 Millionen Euro beziffert.

Die Flucht des Alois Huber:

Bitteres Erbe für die Eltern des Wilderers
Grafik, Geiselnahme, Annaberg,

Evaluierungsbericht

Für die Polizei ist der Fall abgeschlossen: Ende Mai wurde ein Evaluierungsbericht vorgestellt. Der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, sagte zum Jahrestag der Bluttat: "Wir haben alles erhoben, was für uns von Interesse war." Der Fall sei für die Exekutive eine Novität gewesen: "Es bleibt jemand am Tatort und sucht bewusst diese Konfrontation - mehrfach", schilderte Kogler das Geschehen. Alois Huber habe ein "atypisches Verhalten" an den Tag gelegt. Durch den Selbstmord des 55-Jährigen seien aber letztlich nicht alle Fragen zu beantworten gewesen.

Eine Folge des Evaluierungsberichts war die Neubewertung der Tragepflicht der Schutzwesten: Anders als zuvor habe man eindeutig festgelegt, "bei gefahrengeneigten Tätigkeiten zumindest die leichte Schutzweste zu tragen", ergänzte der Leiter der Einsatzkommandos (Eko) Cobra, Bernhard Treibenreif. Es sei denn, wesentliche einsatztaktische Überlegungen sprechen dagegen.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Empfehlungen aus dem Evaluierungsbericht soll in Kooperation mit dem Bundesheer umgesetzt werden. Dabei geht es um die Verfügbarkeit gepanzerter Fahrzeuge, wie es in dem Bericht angesprochen wurde. Kogler will auch, dass in Zukunft bei bestimmten Einsatzlagen immer ausgebildete Rettungssanitäter dabei sind. Mit den Rettungsorganisationen sollen darüber hinaus entsprechende Prozesse für die Zusammenarbeit überlegt werden.

Zudem kritisierte ein Gutachter die von der Polizei verwendete Munition als nicht mehr "zeitgemäß". Die Polizei habe den Wilderer trotz der Abgabe Dutzender Schüsse nicht stoppen können.

Ungereimtheiten?

Für die FPÖ birgt der Evaluierungsbericht hingegen einige Ungereimtheiten. Die "öffentliche Darstellung ist widersprüchlich zu den internen Ergebnissen", sagte Bundesrat Werner Herbert, gleichzeitig auch Vorsitzender der Freiheitlichen Exekutivgewerkschaft AUF. Eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft wurde angekündigt.

Gedenkstein für die Opfer

Am Mittwoch wird für die Opfer von Alois Huber ein Gedenkstein errichtet. Dem Festakt werden hochrangige Vertreter des Innenressorts ebenso wie des Roten Kreuzes beiwohnen, sagte Polizeisprecher Johann Baumschlager. Der 7,5 Tonnen schwere Gedenkstein, der an die Opfer erinnern soll, wird seinen Platz an der Kreuzung der B20/B28 in Annaberg haben. Zur Enthüllung des Steines ist auch ein gemeinsamer Sternmarsch von Rettungskräften und Polizisten geplant.

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