Betreten eines Stalles ist strafbar

Tierschützer verschaffen sich Zutritt, um Missstände aufzudecken
Weil den Bauern die Provokationen der Tierschützer zu heftig waren, gibt es jetzt ein strengeres Gesetz.

Tierschützer steigen in fremde Ställe ein, fotografieren die Tiere und stellen die Fotos samt Namen des betroffenen Bauern ins Internet, sobald sie einen Missstand vermuten. Das war eine der letzten aufsehenerregenden Kampagnen des Vereins gegen Tierfabriken (VGT). Auch einige Bauern aus Niederösterreich waren betroffen. In der nö. Landwirtschaftskammer war die Aufregung damals groß. Die betroffenen Bauern konnten den Tierschützern damals nur mittels Unterlassungs- und Besitzstörungsklagen entgegentreten. Das ist mittlerweile anders.

Denn seit 1. Jänner ist in NÖ eine Novelle des sogenannten Feldschutzgesetzes (siehe unten) in Kraft. Und damit ist allein das Betreten eines fremden Stalles strafbar – und zwar mit bis zu 1500 Euro. Laut Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer NÖ, haben die "letzten Provokationen gezeigt, dass hier eine gesetzliche Grundlage fehlt". Etwa 15- bis 20-mal pro Jahr hätten sich Landwirte in NÖ über "unbekannte Eindringlinge" beschwert.

Heftige Kritik an der Gesetzesnovelle kommt von VGT-Anwalt Stefan Traxler. "Bisher haben die Tierschützer Klagen in Kauf genommen, um Missstände aufzudecken", sagt der Anwalt. Die Landwirte konnten nur durch mitunter langwierige Gerichtsverfahren gegen die Tierschützer vorgehen. Jetzt können die Landwirte "Eindringlinge" einfach anzeigen. Liegt tatsächlich ein Straftatbestand vor, verhängt die Bezirkshauptmannschaft die Strafe – bis zu 1500 Euro statt bisher 730 Euro.

Traxler kritisiert, dass durch die Novelle wirtschaftliche Interessen von "Tierfabriksbetreibern" gewahrt würden: "Wenn Sie ein Autohaus betreiben und dort schnüffelt einer herum, können Sie den nur anzeigen und ein Gerichtsverfahren erwirken. Wenn Sie ein Landwirt sind, erteilt die Behörde einfach die Strafe."

Dass die Verwaltungsübertretung schon mit dem bloßen Betreten von fremden Ställen beginnt, hält auch der Verwaltungsjurist Bernd- Christian Funk für "möglicherweise überzogen".

Und: "Es ist offensichtlich, dass dieses Gesetz geschaffen wurde, um den Tierschützern das Leben schwer zu machen." Aber für Funk ist das Gesetz auch so flexibel, dass es dem "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend angewendet werden kann".

Festnahme

VGT-Anwalt Traxler bezeichnet das Gesetz als "gleichheitswidrig". Denn es sieht vor, sogenannte Feldschutzorgane zu bestimmen (siehe Kasten). Grundsätzlich kann sich jeder, der 21 Jahre alt und unbescholten ist, in seinem Wohnort zu einem solchen Wachorgan vereidigen lassen. Als solches darf man dann andere Menschen anhalten, Gegenstände beschlagnahmen, und sogar Festnahmen durchführen.

Genau daran stößt sich Traxler: "Eine Festnahme obliegt der Polizei. Das entspricht nicht den Grundrechten", sagt er. "Wenn es zur ersten Strafe in dieser Sache kommt, werde ich bis zum Verfassungsgerichtshof gehen", kündigt der VGT-Anwalt an.

Verfassungsjurist Theo Öhlinger erkennt das Feldschutzgesetz als "verfassungskonform" an. "Die österreichische Rechtsordnung sieht vor, dass Privatpersonen zu staatlichen Organen vereidigt werden können und damit Aufgaben in einem bestimmten Rahmen erfüllen dürfen", sagt Öhlinger. Dass sich durch die Novelle jetzt mehr Bauern zu Feldschutzorganen vereidigen lassen und Tierschützer gleich selbst festnehmen, glaubt Landwirtschaftskammer-Präsident Schultes nicht: "Die Gefahr, dass so etwas eskaliert, ist groß."

NÖ Feldschutzgesetz

Das Gesetz besteht seit 1982 und ermöglicht sogenannten Feldschutzorganen, Menschen anzuhalten, deren Ausweise zu verlangen, Gegenstände zu beschlagnahmen und sie festzunehmen, wenn diese fremdes Feldgut gebrauchen, verunreinigen, beschädigen, vernichten, oder wenn sie fremdes Feldgut entziehen. Seit 1. 1. ist auch das Betreten, Verunreinigen und Beschädigen fremder Stallungen eine Verwaltungsübertretung.

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