Amors Pfeil traf Partei-Rivalen

Rot-schwarze Privatkoalition: „Aus Liebe“ sind Norbert Erdscholl (ÖVP) und Stefanie Ebersberger (SPÖ) nicht mehr im Gemeinderat
"Rücktritt aus Liebe" zweier Gemeinderäte hat eine heiße Debatte ausgelöst.

Liebe ist stärker als Parteitreue: Das müssen die führenden Kommunalpolitiker in Kirchstetten, Bezirk St. Pölten, einsehen. Weil sich eine SPÖ-Gemeinderätin in einen ÖVP-Mandatar verliebt hat, verzichtet sie nach Kritik aus der eigenen Ortspartei auf ihre politische Laufbahn. Auch ihr Freund sowie zwei weitere rote Jungpolitiker legten aus Solidarität ihre Mandate nieder. Seither ist die rot-schwarze "Privat-Koalition" in der 2000 Einwohner zählenden Gemeinde Gesprächsthema Nummer eins. Der Grundtenor: "Liebe ist Privatsache und keine Parteiangelegenheit."

Ausgerechnet wenige Tage vor dem heutigen Valentinstag wurde SPÖ-Gemeinderätin Stefanie Ebersberger (29) vor die Wahl zwischen Partei und Liebe gestellt. Sie musste nicht lange darüber nachdenken: "Ich hab’ mich für die Liebe entschieden", sagt Ebersberger. Für sie stehe Liebe, Freundschaft und Solidarität an oberster Stelle. Der Hintergrund des innerparteilichen Konflikts: Ihr SPÖ-Vorsitzender war "not amused", als er von der rot-schwarzen Partnerschaft erfuhr, weil er die Sorge hatte, dass parteipolitische Geheimnisse ausgeplaudert werden könnten.

Heikle Situation

"Wir wussten, dass es zu Problemen kommen könnte. Daher haben wir die Beziehung erst nach der Gemeinderatswahl bekannt gemacht", erklärt ihr Freund Norbert Erdscholl (26), der zwar ÖVP-Mitglied bleibt, aber genauso wie Ebersberger auf sein Mandat im Gemeinderat verzichtet. Er versteht die Haltung der Roten nicht: "Wir wissen doch genau, worüber wir privat reden dürfen und was parteiintern bleiben muss", sagt Erdscholl.

Im Wirtshaus "Zum Schani Onkel" sind sich die Gäste einig: "Wir leben doch nicht im Kommunismus. Die Partei darf nicht vorschreiben, was in Sachen Liebe zu tun ist. Jeder hat das Recht, sich frei zu entscheiden", meint Hermann Skokoff aus Sieghartskirchen. Kellnerin Renate Muttenthaler fragt, was politisch ausgeplaudert werden soll: "Wir leben in einer kleinen Gemeinde, in der es keine Geheimnisse gibt." Auch vor dem Bahnhof haben die Bürger eine klare Meinung: "Liebe ist Privatsache. Parteikollegen müssen schon ein gewisses Vertrauen in ihre Mandatare haben", betonen Luise Heiss und Franz Bartosik.

Während öffentlich über den "Rücktritt aus Liebe" diskutiert wird, müssen sich die örtlichen Großparteien über die Nachfolger der zurückgetretenen Mandatare Gedanken machen. "Es ist schade, dass wir durch diese SPÖ-Aktion jetzt fünf Jahre lang ohne junge Gemeinderäte auskommen müssen. Die Liebe darf kein Hemmschuh sein, schon gar nicht für die politische Arbeit", sagt ÖVP-Bürgermeister Paul Horsak. SPÖ-Obmann Johann A., der wegen seines Berufs im Sicherheitsbereich nicht namentlich genannt werden will, bedauert den Vorfall: "Es tut mir leid, dass es so gekommen ist. Man will halt Dinge in der Partei geheim halten."

Politische Jugendorganisationen wundern sich: "Daran sieht man, dass die Liebe keine Grenzen kennt. Aber eine solche Entscheidung darf man nicht verlangen", sagt Lukas Michlmayr, Landesobmann der JVP NÖ. "Die Parteien sollten wichtigere Sorgen haben", ergänzt Naomi Dutzi von der SJ NÖ.

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