Ahnenforschung: Die Strafprotokolle eines Dorfes

Ahnenforscher Felix Gundacker
Felix Gundacker arbeitete 86 Jahre Kriminalgeschichte von Arbesbach auf.

Es sind drei unauffällige Steinsäulen, die am Hügel über der 1600-Einwohner-Gemeinde Arbesbach im nö. Waldviertel stehen. Hier wurde am 30. Mai 1728 Thomas Rametsteiner erhängt. Er soll damals ein Haus angezündet haben – sieben Menschen und das gesamte Vieh starben. Rametsteiner war der letzte, der am Galgen von Arbesbach starb.

Brandstiftung – eines der schlimmsten Verbrechen der damaligen Zeit. Genauso schlimm wie Mord und Zauberei. "Zauberer war ein schlimmes Schimpfwort. Dafür wurden Geldstrafen verhängt", erzählt Ahnenforscher Felix Gundacker.

Der 57-Jährige war eigentlich auf der Suche nach seinen eigenen Vorfahren. "Ich wollte wissen, wie sie tatsächlich gelebt haben", sagt Gundacker. Doch Adam Wolfshofer machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Denn er verursachte am 6. September 1756 einen großen Brand in Arbesbach, bei dem auch die Matriken (Register, Anm.) zum Opfer der Flammen wurden. Also musste sich Gundacker neue Quellen suchen – und zwar das Diözesanarchiv St. Pölten. Was er dort fand, waren die Strafprotokolle von 1675 bis 1761. Eine Goldgrube, wie der Ahnenforscher schnell feststellte.

Streitbar

In der entdeckte er unter anderem die Geschichte Wolfshofers. "Er muss eines der widerwärtigsten Subjekte seiner Zeit gewesen sein", sagt der Forscher. Der Sockenstricker wurde gleich mehrfach zu Geldstrafen verurteilt. Besonders oft wegen Raufereien, Spielsucht und Ehebruchs.

Die Strafprotokolle geben Einblicke in eine besonders harte Zeit. Gestraft wurde, weil die Menschen (unerlaubt) am Sonntag arbeiteten, Äpfel stahlen oder Forellen fischten. Ein Getreidedieb erklärte seine Schandtat damit, "weil wir seit vier Tagen nichts mehr in den Bauch bekommen haben."

Ahnenforschung: Die Strafprotokolle eines Dorfes
Arbesbach

Der Dreißigjährige Krieg war gerade vorbei, die Gegenreformation in vollem Gange. Die Ernten waren schlecht, die Leinenproduktion war weggebrochen. Die Bevölkerung musste hohe Abgaben zahlen, die Steuern wurden wieder einmal erhöht. So sehr, dass es zum Aufstand unter den Bauern kam. 36 Prozent der Häuser standen leer – die Bevölkerung war abgewandert.

Und dann machte auch noch ein tyrannischer Pfarrer der Bevölkerung das Leben schwer. In den Aufzeichnungen findet sich sogar ein Duell zwischen Pfarrer und Pfleger.

Demütigung

Die Kirche war mächtig, denunziert wurde schnell. Besonders schlimm traf es Frauen, die des unerlaubten Beischlafs beschuldigt wurden. Sie wurden an den Pranger mitten im Ortszentrum gestellt. Auch heute noch steht er im Zentrum des Dorfes. "Beim dritten Mal mussten die Frauen vor und nach der Sonntagsmesse mit einer Rute in der einen und einer schwarzen Kerze in der anderen Hand vor der Kirche stehen." Es blieb nicht bei dieser Demütigung. Schließlich wurden sie auch der Grundherrschaft verwiesen. Auch Stockhiebe als Strafe sind überliefert. Die Männer kamen mit Geldstrafen davon.

Gefoltert wurde mit Daumenschrauben (bei Frauen) und der Streckbank (bei Männern). Schwere Straftäter wurden zum Galeerendienst verurteilt und sofort nach Venedig gebracht. Oder es reiste der Henker aus Krems an, um das Todesurteil zu vollstrecken.

"Die Menschen haben um ihr Leben gerauft. Es muss unvorstellbar schwer gewesen sein", sagt Gundacker. "Ich bin froh, dass ich in der heutigen Zeit lebe."

Der Wiener Felix Gundacker, eigentlich gelernter Tiefbautechniker, beschäftigt sich seit 1989 mit der Ahnenforschung. Gundacker hält Vorträge und Kurse.

steht ab sofort auf www.felixgundacker.at zum kostenlosen Download bereit. Weitere Informationen gibt es in der Facebook-Gruppe "Arbesbach in alten Ansichten" oder in der genealogischen (kostenlosen) Datenbank auf www.GenTeam.at.

Kommentare