Ein roter Bezirk, der längst grün sein müsste

Ein roter Bezirk, der längst grün sein müsste
Kaum ein anderer Wiener Bezirk ist so jung, weltoffen und vielfältig wie Mariahilf.

Es könnte eine sehr kurze Amtsperiode werden: Erst vor wenigen Wochen wurde Markus Rumelhart neuer SPÖ-Bezirksvorsteher in Mariahilf. Schon im nächsten Jahr könnte er sein Amt an die Grünen verlieren. Bei der Europawahl haben sie ihren Vorsprung auf die SPÖ ausgebaut, 2015 könnten sie den Sprung an die Spitze des Bezirks schaffen – es sei denn, sie zerstreiten sich nicht – wie 2010 – wieder kurz vor der Ziellinie.

Viele trauen den Grünen den Erfolg diesmal zu: "Über kurz oder lang wird der 6. Bezirk grün werden", ist Stefan Maran überzeugt. Vor einem Jahr eröffnete er in der Stumpergasse Österreichs ersten veganen Supermarkt. Es sind mehrheitlich jüngere Männer und Frauen, die sich hier mit Soja-Wurst, Bio-Gemüse und Schokolade ohne tierische Produkte eindecken.

Kein Zufall, dass der Shop gerade in Mariahilf seine Heimat fand, wo er mittlerweile mit etlichen Konkurrenten kämpfen muss. "Der einst ziemlich bürgerliche Bezirk macht eine enorme Verjüngungskur durch", sagt der Bio-Pionier. Das bestätigt auch die Statistik: Der Anteil der 16- bis 35-Jährigen ist hier deutlich höher als in Wien gesamt. Ähnliches gilt auch für den Bildungsstand der Bevölkerung (siehe links).

Ein ideales Pflaster für Geschäfte, die auf gesunde und öko-bewusste Ernährung setzen – und naturgemäß auch für eine Partei, die diese Grundsätze vertritt.

Chai Latte

Grün-Sympathisanten finden sich auch ein paar Ecken weiter in der Gumpendorfer Straße. Das "phil" war eines der Ersten von mittlerweile zahllosen Lokalen in Mariahilf, die das junge, gebildete und alternative Publikum anspricht. Zwischen den Tischen parken die Kinderwagen, während ihre Besitzerinnen Mango-Lassi oder Chai Latte schlürfen. "Es ist wohl die Nähe zu Naschmarkt und MuseumsQuartier, das den 6. Bezirk bei jungen Menschen und Studenten so beliebt macht", sagt Aneta, die Frau des Betreibers Christian Schädel. Sie können im "phil" auch Bücher und CDs kaufen oder Lesungen von David Schalko oder Tex Rubinowitz besuchen.

Auch Aneta würde sich über einen grünen Wahlerfolg 2015 freuen: "Denn neben der Umwelt- ist ihnen auch die Frauenpolitik sehr wichtig." Vor allem die vielen jungen Familien mit Kindern würde sich von ihnen angesprochen fühlen.

Keine leichte Herausforderung für Bezirksvorsteher Rumelhart. Mit grünen Parolen will er der Öko-Partei das Wasser abgraben: "Ich möchte, dass Mariahilf noch mehr zu einem Bezirk der Vielfalt wird." Dass er als erster bekennender Homosexueller Bezirkschef wurde, ist kein Zufall. Gilt doch der 6. Bezirk wegen der schwul-lesbischen Beislszene auch als Homo-Hochburg. Eine Wählerschicht, die bisher stark zu den Grünen tendierte.

Mariahilf in Zahlen

Alter: Mariahilf ist ein relativ junger Bezirk: 32,6 Prozent der Bewohner des 6. Bezirks sind zwischen 16 und 35 Jahre alt. Zum Vergleich: Wienweit liegt der Anteil dieser Gruppe nur bei 27,2 Prozent.

Bildung: Von den 25 bis 64 Jahre alten Mariahilfern haben 36,7 Prozent einen akademischen Abschluss (Wien gesamt: 22,4 Prozent).

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