Brauche 35.000 Vorzugsstimmen

Josef Weidenholzer besuchte Kobane.
Der Europarlamentarier der SPÖ sitzt auf einem Kampfmandat.

Josef Weidenholzer wuchs als Sohn eines Bauern in St. Florian am Inn auf. Der 64-jährige Sozialdemokrat ist Vorstand des Instituts für Sozial- und Gesellschaftspolitik der Johannes Kepler Universität, Vorsitzender der Volkshilfe Österreich und seit Dezember 2011 Abgeordneter zum Europäischen Parlament.

KURIER: Sie sind einer von 750 Abgeordneten, weshalb es nicht leicht ist, dass Sie allein etwas durchsetzen können. Was haben Sie mit anderen gemeinsam umgesetzt?Josef Weidenholzer: Ich glaube, dass ich relativ viel mitbeeinflussen konnte. Ich habe viele Schattenberichte erstellt. In den Bereichen Post- und Telekommunikation, Paketdienstleistungen, Energieversorgung, Nahverkehr. Es geht darum die Reche der Konsumenten zu stärken. Das funktioniert ja oft nicht so wie man sich das ursprünglich vorgestellt hat. Ich war Schattenberichterstatter in vielen Bereichen. Zum Beispiel bei der Europol oder bei Frontex, dem Schutz der EU-Außengrenzen. Ich war auch sehr aktiv beim Datenschutz. Ich habe zum Beispiel durchgesetzt, dass die Strafe für Unternehmen, die den Datenschutz verletzen, fünf Prozent des Jahresumsatzes beträgt.

Was heißt Schattenberichterstatter?

Das ist der Berichterstatter der Fraktion. Alle Gesetzesentwüfe kommen von der EU-Kommission. Sie werden dem Parlament zugeleitet. Das ernennt einen Berichterstatter. Im Parlament hat keine Fraktion eine absolute Mehrheit. Deshalb muss der Berichterstatter schauen, dass er eine Mehrheit bekommt und muss deshalb auf die anderen Faktionen zugehen. Jede Fraktion ernennt einen Schattenberichterstatter. Deshalb ist man von Anfang an stark in die Diskussion miteingebunden.

Ich bin sehr stolz auf die Europäische Ermittlungsanordnung. Man kann Verbrecher in anderen Mitgliedsstaaten verhaften, ohne dass man dazu die Interpol benötigt. Es müssen aber auch Ermittlungen in anderen Mitgliedsstaaten durchgeführt werden. So kann zum Beispiel die Staatsanwaltschaft Wels die Polizei in Budweis anweisen, Ermittlungen wie Hausdurchsuchungen vorzunehmen. Das war zum Beispiel einer meiner Verhandlungserfolge. Das ist ein Fortschritt in der Sicherheit, das schafft Vertrauen.

Ich habe als Einzelner im Parlament viel mehr erreichen können als ich mir eigentlich vorgestellt habe. Man kann sehr viel bewirken, wenn man inhaltlich interessiert ist.Es wird eigentlich alles, was von der Kommission kommt, verändert. Es ist zum Beispiel die Saatgutverordung abgelehnt worden, die Tabakrichtlinie ist verändert worden. Das unterscheidet das Europäische Parlament von den nationalen Parlamenten. Es ist wirklich ein Arbeitsparlament.

Was haben Sie für die nächsten fünf Jahre geplant?

Für mich ist die Weiterarbeit im Innenausschuss vorrangig. Es geht zum Beispiel darum, die Konsequenzen aus der NSA-Abhöraffäre umzusetzen. Ich werde versuchen, dass es zum einem Unterausschuss für digitale Fragen kommt. Das ist für uns alle so ein zentraler Lebenbereich geworden, dass es gescheit wäre, diese Fragen zu bündeln. Wir müssen uns auch mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen. Es geht um die zunehmende Privatisierung der Sicherheit, wo ich sehr skeptisch bin. Was mein zweiter Ausschuss sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber ich habe sehr gerne im Binnenmarktausschuss gearbeitet. Ich bin gegen das Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Ich habe den Antrag gestellt, die Gespräche öffentlich und unter Beiziehung der Betroffenen zu führen. Er wurde abgelehnt.

Sie sind auf Platz fünf der SPÖ-Liste gereiht. Wenn die Wahl am 25. Mai wieder so ausgeht wie vor fünf Jahren, sind Sie neuerlich im Parlament.

Ich sitze auf einem Kampfmandat. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Kampfmandate, das liegt mir. Laut den derzeitigen Umfragen ist knapp möglich, das Ergebnis von 2009 (23,7 %) zu wiederholen.

Der österreichweite Pensionistenverband führt für Sie eine Vorzugsstimmenkampagne durch. Weiters gibt es ein Personenkomitee. Wie viele Vorzugsstimmen benötigen Sie für eine Vorreihung?

Es sind fünf Prozent der auf die Partei entfallenden Stimmen. Bei der vergangenen Wahl waren das 32.000 Stimmen. Ich vermute, es werden zwischen 30.000 und 35.000 Stimmen notwendig sein. Wenn man sie erreicht, wird man automatisch auf den ersten Platz vorgereiht.Wenn die anderen das auch schaffen, entscheidet die Stimmenmehrheit.

Wer Weidenholzer will, muss am Stimmzettel Weidenholzer dazuschreiben.

Man muss die SPÖ ankreuzen. Dann gibt es eine Rubrik für die Bezeichnung des Kandidaten. Hier kann man entweder den Namen hinschreiben. Oder die Ziffer 5 für meinen fünften Listenplatz. Für viele Menschen ist es leichter, die 5 anstelle des Namens hinzuschreiben.

Unterstützt werde ich auch noch von der Landes-SPÖ, weil es natürlich wichtig ist, dass ein Oberösterreicher im Parlament ist. Im Personenkomitee werde ich getragen von Sozialdemokraten, von Leuten, die eigentlich gar nicht politisch sind, von Leuten, die eher grün oder christlich angehaucht sind. Ich habe in meinem Leben immer eine breite Streuung gehabt. Es geht nicht nur um Prominente, denn für mich ist jeder prominent, egal, ob das nun Charly Blecha oder eine Verkäuferin ist.Wir haben auch eine Internetseite eingerichtet. Sie wurde bereits von rund 1000 Unterstützern unterzeichnet. Das Komitee macht auch Straßenaktionen. Ich mache auch sehr viel über soziale Medien. An manchen Tagen erreichen wir mit dem Newsletter 50.000 Menschen.

In Oberösterreich läuft eine Debatte um den Wirtschaftsstandort. Unternehmen drohen wegen der hohen Steuern und strengen Umweltvorschriften mit der Abwanderung.

Es zeigt sich nun, dass die SPÖ mit der Ablehnung des Verkaufs der Minderheitsbeteiligung der Republik an der voestalpine vor zehn Jahren recht gehabt hat. Es ist wichtig, dass es einen Standortaktionär gibt. Die jetzige Eigentümerkonstruktion kennt den Standort als solchen nicht mehr, sondern es geht nur mehr um Verwertungsinteressen. Wir haben in Europa in der Privatisierungseuphorie den großen Fehler gemacht, dass wir geglaubt haben, der Kapitalismus und der Markt werden alles regeln. Das war eindeutig falsch. Der Markt hat sicher seine Vorzüge, aber es muss auch eine Chance für regionale Interessen geben, sich zu organisieren und auch Einfluss zu nehmen.

Eine solche Lösung hat es ja bei der voestalpine gegeben: Mit den Aktien für die Mitarbeiter und den Aktionären Raiffeisen-Landesbank und der Oberbank.

Aber der Aktienkurs hängt vom Aktienkurs der voestalpine ab. Wenn der Kurs unter den Einstandskurs fällt, muss sich der Aktionär aus kaufmännischen Gründen davon trennen.

Es ist an der Zeit, dass man sich hier etwas überlegt. Es gibt andere erfolgreiche kapitalistische Länder, wo der Staat sehr wohl eine Rolle spielt. Das Modell China besteht darin, dass der Staat sehr strategische Anteile an Schlüsselindustrien hält. Wir haben das alles aufgegeben, insofern kann man keine Standortpolitik mehr machen. Das war einer der großen Fehler. Der Industrieanlagenbau war überhaupt einmal der Stolz der ganzen Voest. Jetzt landen wir beim japanischen Eigentümer Mitsubishi. Bei der Tabakfabrik hat der japanische Eigentümer den Standort Linz geschlossen. Es muss ein regionales Interesse sein, die Standorte hier aufrecht zuerhalten.

Der Standort Linz der voestalpine war vor 25 Jahren auch gefährdet. Damals hat man andere Standorte wie Oberhausen geschlossen. Warum ist Linz geblieben? Die Leute waren sicher tüchtig, aber tüchtig waren sie in Oberhausen auch. Der Hauptpunkt war, dass es hier ein Interesse gegeben hat und der Standort mit viel Geld gesichert worden ist. Das Ende der voestalpine hätte gigantische Folgen gehabt. Denn das Ende des Leitbetriebes bedeutet auch das Ende der vielen Zulieferbetriebe.

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