Justizminister "systematisch befangen"

Justizminister Wolfgang Brandstetter gerät unter Beschuss.
Die Grünen fordern Aufklärung über Brandstetters Rolle als Verteidiger des toten Ex-Diplomaten.

Während der von Justizminister Wolfgang Brandstetter initiierte Expertenrat zur Aufklärung des Todes von Rakhat Aliyev Gestalt annimmt, gerät Brandstetter als ehemaliger Aliyev-Verteidiger selbst unter Beschuss. Neben dem Generalprokurator i. R. Ernst Eugen Fabrizy als Kommissionsvorsitzenden wurden der ehemalige Innsbrucker Oberstaatsanwalt Eckart Rainer und der vor einem halben Jahr pensionierte Chefinspektor des nö. Landeskriminalamts, Josef Grasel, in die Untersuchungskommission berufen.

Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz wirft unterdessen die Frage auf, ob der "systematisch befangene" Brandstetter überhaupt sein Amt als Justizminister ausüben könne. In einer parlamentarischen Anfrage fordert Pilz Aufklärung über dessen Rolle im Fall des unter Mordverdacht gestandenen kasachischen Ex-Botschafters, der am 24. Februar erhängt in seiner Zelle aufgefunden wurde. Zum Beispiel über die polizeiliche Meldung Aliyevs 2007 in einem Haus in NÖ, das einer Gesellschaft gehörte, an der Brandstetter beteiligt war. Damit erlangte Aliyev – gegen den bereits ein Verfahren lief – laut Volksanwaltschaft missbräuchlich einen Aufenthaltstitel in Österreich. Wobei Pilz dahinter eine Scheinmeldung vermutet.

Liechtenstein-Konto

Im Februar 2008 überwies eine Aliyev-Firma namens Lofro Management mit Sitz in Panama 130.000 Euro auf ein Konto in Liechtenstein, das auf den Namen Wolfgang Brandstetter lautete. Pilz will wissen, wofür er den Betrag erhalten hat. In dem Zusammenhang bringt der Grüne die Tätigkeit Brandstetters in einer Liechtensteiner Kanzlei aufs Tapet und wirft die Frage auf, ob dort "Steuerbetrug" sein Spezialgebiet gewesen sei. Brandstetter lässt wissen, es handle sich um ein Geschäftskonto für die korrekte steuerliche Abwicklung seiner beruflichen Tätigkeit in Liechtenstein für eine renommierte Wirtschaftskanzlei bis Dezember 2013.

Im November 2008 legte Brandstetter der damaligen ÖVP-Innenministerin Maria Fekter Informationen Aliyevs vor, wonach Kasachstan ehemalige österreichische Politiker und aktive Polizeibeamte korrumpiert habe. Pilz will wissen, ob Brandstetter damals oder später als Justizminister diesen Vorwürfen nachgegangen ist.

Nach Aliyevs Übersiedlung nach Malta im April 2011 teilte Brandstetter einer örtlichen Anwaltskanzlei mit, dass der vertrauenswürdige "Klient Aliyev" in Österreich aus politischen Gründen mit manipulierten Beweismitteln verfolgt werde. Pilz vermutet hinter dem Schreiben die Vorbereitung der Verschiebung von Aliyev-Vermögen nach Malta; zu einem Zeitpunkt, zu dem die Staatsanwaltschaft Wien bereits detaillierte Hinweise auf die kriminelle Herkunft der Gelder gehabt habe.

Ganz abgesehen davon: Zwei Jahre später wurde Brandstetter zum politisch Verantwortlichen für die selbe Justiz, die seiner in dem Brief geäußerten Meinung nach mit manipulierten Beweismitteln arbeitet.

Bei Brandstetters Amtsantritt erklärten die Anwälte Otto Dietrich und Manfred Ainedter, dass Aliyev seit 2007 bzw. 2011 ausschließlich von ihnen verteidigt werde. Laut Pilz vertrat Brandstetter den Ex-Diplomaten aber bis kurz vor seinem Amtsantritt. Pilz sieht deshalb eine "Täuschung der Abgeordneten". Die Grünen fordern einen Untersuchungsausschuss.

Ohne Substanz

Der Grüne will den Verweis Brandstetters auf seine Verschwiegenheitspflicht nicht hinnehmen: "Wenn er bereit war, trotz dieser Hypothek Justizminister zu werden, dann hat das alles glasklar zu sein." Der Justizminister befindet die "parteipolitisch motivierten Vorwürfe" als "längst bekannt und ohne jede sachliche Substanz". Gleichwohl plädiert er für volle Transparenz.

Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt dem KURIER unterdessen, dass gegen Justiz-Mitarbeiter ermittelt wird. Wie berichtet, sollen ehemalige hochrangige Justizfunktionäre für den Anwalt Gabriel Lansky (der die Witwen der mutmaßlichen Aliyev-Mordopfer vertritt) Druck auf die Justiz ausgeübt haben. Ob es sich um pensionierte und/oder aktive Mitarbeiter handelt und welcher Verdacht erhoben wird, darüber hüllt man sich bei der Staatsanwaltschaft in Schweigen. Wie war das mit der Transparenz gemeint?

Die ehemalige Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner hat 2009 das Amt der Justizministerin mit einer Altlast übernommen. Nämlich mit ihrem Urteil, das später zerpflückt wurde. Das ist noch gar nichts gegen die Hypothek, die auf dem ehemaligen Aliyev-Anwalt und aktuellen Justizminister Wolfgang Brandstetter lastet.

Im Spionagekrimi Aliyev wurden mutmaßlich ehemalige Politiker und aktive Polizeibeamte bestochen und Beweismittel gefälscht. Hochrangige pensionierte Justizfunktionäre intervenierten bei ihren Amtsnachfolgern. Staatsanwälte wechselten mehrfach die Fronten. Schließlich starb die zentrale Person im Gefängnis. Und mittendrin der Justiz-Ressortchef, dessen Aufgabe die Aufklärung aller dieser Vorwürfe ist.

"Die Zeiten, in denen man sich hinter dem Amtsgeheimnis verstecken kann, sind zum Glück vorbei", lässt Brandstetter seine Sprecherin formulieren. So ein Fall lasse sich nur mit voller Transparenz aufarbeiten. Seine Rolle aber muss dabei verdeckt bleiben: Mit einem Vorhang namens "anwaltliche Verschwiegenheitspflicht". Glasklar sieht anders aus.

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