"Wir sind kein Kinderheim"

SOS Kinderdorf-Leiterin Doris Wild: "Viele Kinder haben traumatische Erfahrungen hinter sich"
Das SOS Kinderdorf ist mehr als nur eine Herberge für Kinder in Not.

Überforderung, Verwahrlosung, Gewalt und psychische Erkrankungen der Eltern sind die häufigsten Gründe, weshalb Kinder im SOS Kinderdorf Pinkafeld aufgenommen werden. "Viele Kinder haben traumatische Erfahrungen hinter sich und sind der Meinung, dass sie selbst Schuld sind, dass sie da sind", erzählt Doris Wild, die Leiterin des Kinderdorfes. "Vor allem früher haben Kinder oft zu hören bekommen, dass sie ins Heim kommen, wenn sie schlimm sind. Das hat sich eingeprägt. Wir sind aber kein Kinderheim und es kommt auch niemand zu uns, nur weil er schlimm war", sagt Wild.

Derzeit leben in Pinkafeld 60 Kinder in elf Familien. Die Zuweisung erfolgt immer über das Jugendamt. "Meist sehen es Mütter ein, dass ihr Kind, zumindest eine Zeit lang, besser bei uns aufgehoben ist. Und wir schauen ja auch darauf, dass die Eltern nicht ausgegrenzt werden und der Kontakt erhalten bleibt", sagt Wild.

Das Alter der Kinder reicht vom Säugling bis zur Pubertät. Ab 14 Jahren können Kinder in eine eigene Jugendgruppe ziehen. Die Betreuung endet mit Volljährigkeit und geht bei Bedarf darüber hinaus.

"Jugendliche sind Nesthocker. Das merken wir hier auch. Viele Jugendliche wollen in Pinkafeld bleiben, weil sie hier viele Freunde gefunden haben", sagt Leiterin Wild. Probleme bereitet dabei die Jobsuche. "Es ist sehr schwierig in der Region eine Lehrstelle zu finden."

Gelebte Integration

Ganz oder gar nicht. Wer sich entschließt, SOS Kinderdorf-Mutter oder -Vater zu werden, entschließt sich sozusagen für ein neues Leben. "SOS Kinderdorf-Mütter und -Väter ziehen ins Dorf und verlegen so ihren Lebensmittelpunkt nach Pinkafeld. Sie können selbstverständlich auch in einer Partnerschaft leben und eigene Kinder mitbringen", sagt Wild.

Generell ist Integration ein wichtiges Thema. "Es ist wichtig, dass die Kinder auch außerhalb des Dorfes Freunde finden – im Kindergarten, in der Schule oder in einem Verein. Wie in einer normalen Familie eben."

Umfangreiche Betreuung

Das SOS Kinderdorf in Pinkafeld wurde 1963 eröffnet. Die Familien sowie die Kinder- und Jugendwohngruppe werden durch Familienhelfer, Pädagogen und Psychologen unterstützt.

Daneben gibt es auch noch das Angebot der mobilen Familienarbeit, die Familien begleitet und mit ihnen Strategien zur Bewältigung ihrer Probleme erarbeitet. Die mobile Familienarbeit begleitet außerdem Familien in Rückführungsprozessen. Denn nicht immer bleibt ein Kind bis zur Volljährigkeit im Kinderdorf.

Durch dieses umfangreiche Angebot können derzeit über 200 Kinder von rund 70 Mitarbeitern betreut werden.

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