„Wiener Markt wird überschätzt“

Alois Lang
Alois Lang, Marketingexperte im Nationalpark Neusiedler See, über Tourismus im Seewinkel

Was wäre der touristische Seewinkel bzw. das Burgenland ohne den Nationalpark?
Alois Lang: Wir hätten massivere Probleme gehabt. Vor allem im Bereich der Vor- und Nachsaison, die mittlerweile stärker ist als die Hauptsaison. Es ist spannend, von der Marketingseite betrachtet, dass der Nationalpark kein Geld kostet und doch so einen hohen Werbewert hat. Wir zahlen kein einziges Inserat, wir finanzieren keine Journalistenfahrten, keine Messestände. Wir liefern den Hintergrund für das Marketing.

Hätte man hier im Burgenland nicht den Nationalpark, würde es im Tourismus nicht gut ausschauen, denn der Neusiedler See ist auch nicht mehr das, was er einmal war, oder?
Wenn man den Neusiedler See als Summe der Strandbäder versteht, dann ist das im Verhältnis zu den 70er und 80er Jahren ein sehr, sehr untergeordnetes Angebot geworden.

Hat aber nicht der Tourismus am Neusiedler See durch den Bau der Donauinsel gelitten?
Das ist auch so ein Klischee. Der Wiener Markt wird weitgehend überschätzt, weil Wien in Tagesausflugdistanz liegt. Das heißt: extreme Wettervorschauabhängigkeit. Wenn im Ö3 Schlechtwetter angekündigt wird, fährt man lieber zu Ikea. Darauf lässt sich kein Tourismus aufbauen und auch keine Infrastruktur ausrichten.

Was heißt das konkret?
Bevor der Boom des Radfahrtourismus noch losgegangen ist, waren wir hier die Ersten. Aber das Kulturangebot des Seewinkels ist nicht zu unterschätzen – hier gehört z.B. Wien mit zu unserem Angebot, aber auch Sopron oder Bratislava. Und vor allem der Wandel vom landwirtschaftlichen Produkt Wein zum touristischen Produkt Weinerlebnis. Das hat 20, 30 Jahre gedauert.

War fürs Burgenland der Fahrradtourismus der Urknall?
Ja! Aber jetzt muss man aufpassen. Es wird zu wenig genau analysiert, wie sich der Radtourismus weiter entwickelt. Der Bau eines Radwegs führt nicht gleich zum Ökotourismus. Wenn die Hardware, sprich Beschilderung, Rastplätze etc., nicht ergänzt wird durch Software, also Veranstaltungen, technisches Service, Radtransport, alles was mit dem Rad zu tun hat, dann kommt es nicht zur Wertschöpfung. Zu sagen: Radlweg, passt schon, das ist zu wenig.

Es wird immer wieder seitens des Tourismusverbandes kritisiert, dass die Beherbergungsbetriebe ein höheres Niveau erreichen müssen. Ist das im Burgenland so schlecht?
Wir haben einen hohen Anteil an Privatquartieren, der im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht so schlecht liegt. Die, die schlechte Qualität hatten, die gibt es nicht mehr. Die haben aus den verschiedensten Gründen aufgehört.

Werden in dieser Diskussion nicht oft Begriffe wie Qualität und Luxus verwechselt?
Nehmen wir den Nationalpark. Wir haben ein Klientel, das nicht wirklich konjunktursensibel ist. Viele unserer internationalen Gäste tragen Ferngläser, Spektive und Kameras mit sich, die sechs- oder siebentausend Euro kosten. Der Hotelpreis ist für sie nicht das wichtigste, Hauptsache, die Qualität passt. Sie brauchen nicht unbedingt vier Sterne-Hotels, aber das Frühstück, das hoffentlich aus regionalen Produkten besteht, muss schmecken – und die Information zum Naturerlebnis muss stimmen. Es gibt nach wie vor Leute, die meinen, Qualität gibt es nur ab vier Sterne. Das stimmt so nicht.

Was sagen eigentlich die immer wieder kehrenden Meldungen über positive Nächtigungszahlen von plus 0,6 Prozent aus?
Wir haben eine sehr inhomogene Angebotsstruktur im Tourismus, insbesondere in der Region Neusiedler See. Aussagen wie: ’Wir haben minus zwei oder plus drei Prozent’, die sind inhaltsleer. Denn, wenn eine Ortschaft mit einer überdurchschnittlich hohen Bettenauslastung ein Minus von einem Prozent hat, dann ist das kein Drama. Aber wenn eine andere Gemeinde eine grottenhaft schlechte Auslastung hat und dann ein Plus von zwei Prozent, dann gilt das als super. Da wird nicht differenziert – dabei könnte man gerade aus diesen Zahlen den Erfolg oder Misserfolg von Angebotsbereichen ablesen.

Was schließen wir daraus?
Es ist kein Thema in der öffentlichen Diskussion, weil – und jetzt zitiere ich den früheren Wirtschaftslandesrat Karl Kaplan – es eh’ keiner so genau wissen will, weil's zu kompliziert ist.

Der 57-jährige Alois Lang ist als Abteilungsleiter im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Ökotourismus. Er war von 1989 bis 1993 bei Burgenland Tourismus Regionalmanager für den Neusiedler See und das Natur-, Wein- und Radfahrangebot im Burgenland zuständig. Lang hat bei international zahlreichen Ökotourismusprojekten und -konzepten mitgearbeitet und war von 2005 bis 2008 Koordinator der Initiative Grünes Band Europa bei International Union for Conservation of Nature.

Kommentare