Streit der Gutachter ums "Pickerl"

Streit der Gutachter ums "Pickerl"
Werkstattbesitzer vor Gericht, weil er zu Unrecht ein Pickerl ausgestellt haben soll. Meinung der Gutachter geht auseinander.

Die Erleichterung im Saal G des Landesgerichts Eisenstadt war am Mittwoch greifbar, als Richterin Karin Knöchl einen Freispruch verkündete. Nicht nur dem wegen Amtsmissbrauchs Angeklagten, einem Kfz-Mechanikermeister aus dem Nordburgenland, fiel ein Stein vom Herzen. Auch ein Prozessbeobachter, der Bundesinnungsmeister der Kfz-Techniker Friedrich Nagl, machte aus seiner Freude kein Hehl: "Das ist ein gerechtes Urteil." Wäre es anders ausgefallen, hätte das "einen Rattenschwanz" nach sich gezogen und zu einer "Verunsicherung aller §57a-Prüfer" geführt, hat Nagl befürchtet.

Um diese § 57a-Überprüfung, üblicherweise als "Pickerl" bezeichnet, drehte sich in diesem Prozess alles – genau genommen um die Bewertung von Rostschäden. Die Meinungen der Gutachter von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gingen und gehen dabei weit auseinander.

"Rostschüssel"

Die lange Vorgeschichte kurz gefasst: Der Mechanikermeister hat im April 2008 ein Pickerl für einen Ford Escort (Baujahr 1996) ausgestellt, der knapp ein Jahr später über eBay um 1300 Euro privat verkauft wurde. Der neue Besitzer ist auf Rostschäden hingewiesen worden. Bei der nächsten § 57a-Überprüfung ist das Auto durchgefallen. Der Käufer hat daraufhin die Kfz-Werkstatt angezeigt, die das letzte Pickerl ausgestellt hat.

In der ersten Verhandlungsrunde wurde der Werkstattbesitzer schuldig gesprochen, nach der Berufung im zweiten Durchgang nun freigesprochen.  

Die Staatsanwaltschaft hatte auf Grundlage eines Gutachtens vom Sachverständigen Josef Plank Anklage erhoben. Plank stellte im März 2010 fest, dass die Längsträger des Ford durchgerostet seien und das bereits bei der letzten Pickerl-Überprüfung 2008 erkennbar gewesen sein musste.

Der Verteidiger des Angeklagten, Matthias Prückler, kann das nicht nachvollziehen: "Kann er das in einer Kristallkugel sehen?" Denn aus dem von ihm vorgelegten (aber vom Gericht nicht zugelassenen) Privatgutachten geht hervor, dass zwischen Pickerl-Überprüfung und Plank-Gutachten 22 Monate und 15.344 gefahrene Kilometer liegen. Die Folgerung in diesem Gutachten, erstellt vom Sachverständigen Christian Eissner: Man könne "nicht mehr seriös" feststellen, ob das Ausmaß der Durchrostung bereits 2008 bestanden habe. Es gebe zu viele Unsicherheitsfaktoren wie zwischenzeitlich durchgeführte Reparaturen, Feuchtigkeit am Abstellplatz, Salz, etc.

Zertifizierung

Prückler wollte einen anderen Gutachter, weil Plank seiner Ansicht nach weder unvoreingenommen noch sachkundig sei. "Er hat keine § 57a-Zertifizierung, er hat selbst gesagt, er sei kein Kfz-Techniker, und hat auch keine Werkstatt", kritisiert der Rechtsanwalt.

Plank kontert: "Ich brauche weder diese Zertifizierung noch eine Werkstatt, um die Verkehrssicherheit eines Autos zu beurteilen." Er habe als Sachverständiger "38 Jahre Erfahrung" in allem, was das Kraftfahrzeugwesen betrifft, betont der 71-Jährige, der Verkehrswesen studiert hat. Für ihn sei entscheidend, "dass das Gericht meine Arbeit anerkennt". Was es tut. Richterin Knöchl: "Plank hat die entsprechende einschlägige Erfahrung."

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