Hans Niessl: "Doskozil ist sehr politiktauglich"

Hans Niessl legt sich weiter quer.
Burgenlands Landeshauptmann zum 15-Jahr-Jubiläum über Flüchtlinge, Rot-Blau und Nachfolger.

KURIER:Nach Bruckneudorf kommen nur 100 statt 450 Flüchtlinge. Haben Sie die Bundesregierung bezwungen?

Hans Niessl: Mir geht’s nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um Vernunft. Bürgermeister Gerhard Dreiszker und Flüchtlingskoordinator Christian Konrad haben eine sehr vernünftige Lösung gefunden. Dass ich intensive Gespräche mit der Innenministerin und dem Verteidigungsminister geführt habe, ist klar.

Das könnte Gemeinden animieren. Wer sich wehrt, kriegt weniger oder gar keine Flüchtlinge.

Das hat damit nichts zu tun, sondern mit der Toleranzschwelle der Bevölkerung. Wir sagen, zehn oder zwölf Flüchtlinge auf 1000 Einwohner sind vertretbar, rund ein Prozent. 450 in Bruckneudorf wären 15 Prozent gewesen. Für Wien hieße das 240.000 statt 19.000.

Das Innenministerium fordert, das Burgenland müsse die Quote endlich erfüllen.

Kein Bundesland erfüllt die Quote. Über Wien will ich nicht reden, da fiele mir auch was ein. Unser Herz ist groß, aber die Möglichkeiten sind begrenzt.

Wien liegt bei 116 Prozent, das Burgenland bei 89 Prozent und nur 79 der 171 Gemeinden haben Flüchtlinge aufgenommen.

An die Gemeinden kann man nur appellieren, die sind autonom. Ich halte nichts vom Drüberfahren.

Ist damit die mit dem Bund vereinbarte Quote am Ende?

Nein, wir würden die Quote erfüllen, hätten wir nur Kriegsflüchtlinge. Die Länder sollen das Versagen des Bundes kaschieren.

Inwiefern?

Der Fehler liegt beim Innenministerium, die Asylverfahren dauern zu lange und wir haben EU-weit die niedrigste Rückführungsquote für abgelehnte Asylwerber. Rund die Hälfte derer, die zu uns kommen, sind nicht verfolgt.

Was fordern Sie?

Einen Neustart der europäischen Flüchtlingspolitik mit Erstaufnahme und Asylverfahren an EU-Außengrenzen. Wer innerhalb Europas aufgegriffen wird, muss umgehend dorthin gebracht werden. Und auch bei uns müssen Asylverfahren beschleunigt und Rückführungen deutlich angehoben werden. Und wir brauchen ein Konjunkturpaket, denn wie sollen wir bei bald 500.000 Arbeitslosen 50.000 Asylwerber integrieren?

Tut Kanzler Faymann genug?

Auf europäischer Ebene ist er sehr aktiv, das ist sehr vernünftig. Aber es braucht auch die anderen Punkte. Wir können sicher nicht jedes Jahr 90.000 oder 100.000 Flüchtlinge aufnehmen.

Wenn die EU-Lösung scheitert?

Dann werden alle Länder wieder ihre eigenen Grenzen kontrollieren müssen, das wäre das Ende der EU.

Das Flüchtlingsthema ist freiheitliche Domäne. Ihr blauer Vize in der Landesregierung hält sich nach anfänglichem Fettnäpfchen-Parcours zurück – weil die SPÖ FP-Politik macht?

Wir machen gemeinsam Politik.

Haben Sie sich Tschürtz zur Brust genommen?

Überhaupt nicht.

Sie loben die gute Zusammenarbeit mit der FPÖ. Liegt das nicht daran, dass die Koalition eine erweiterte SPÖ-Alleinregierung ist?

Das sehe ich nicht so. Wir sind ein Team, in dem jeder sein Aufgabengebiet hat. Wir ziehen die FPÖ nicht über den Tisch. Wir wollen fünf Jahre gut arbeiten und es steht außer Zweifel, dass die Koalition verlängert werden kann.

Man sagt, Sie haben ein gutes Verhältnis zu FPÖ-Chef Strache?

Das ist lustig, was da alles hineininterpretiert wird. Strache hat Tschürtz besucht und war dann bei mir auf einen Kaffee. Das war’s.

Wenn Rot-Blau im Burgenland so gut funktioniert, sollte die SPÖ dann nicht auf Bundesebene auch darüber nachdenken. Rot-Schwarz scheint am Ende.

In der ÖVP gibt es einen großen Flügel, der die SPÖ auf allen Ebenen weg haben will. Bei der Nationalratswahl wird die ÖVP versuchen, mit der FPÖ zu regieren.

Und Rot-Blau im Bund?

Dort trägt der Bundesparteivorsitzende die Verantwortung. Die kann ich ihm nicht abnehmen. Er hat sich gegen Rot-Blau im Bund festgelegt.

Aber Sie sind Vizebundeschef...

Ich stehe zu meinem Bundesparteivorsitzenden. Und er steht dazu, dass Länder und Gemeinden diese Frage autonom entscheiden.

Ihre Entscheidungen – Rot-Blau im Burgenland, Kurswechsel in der Asylpolitik – finden beim Kanzler und beim Wiener Bürgermeister wenig Anklang.

Es gibt mehr Rückendeckung, als man glaubt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wichtige Entscheidungsträger in der Politik nicht jene Position vertreten, die wahrscheinlich 80–85 Prozent der Bevölkerung für vernünftig halten.

Michael Häupl hat Ihre Forderung nach neuer Asylpolitik abgekanzelt – betroffen?

Ich glaube, dass das eher positiv für mich war. Und ich weiß nicht, ob es zu Rot-Grün in Wien nicht mehr Kritik gab als zu Rot-Blau im Burgenland. Aber unsere Freundschaft leidet nicht.

Bei Ihrem 10-Jahres-Jubiläum als Landeshauptmann war Häupl in Eisenstadt, bei der 15-Jahr-Feier am Montag fehlt er.

Mann muss wechseln, jetzt kommen der Kanzler, Nationalratspräsidentin Doris Bures und NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll.

Tun Sie sich bei der Bundespräsidentschaftswahl nicht schwer, wenn Ihr Freund Pröll gegen Ihren Parteifreund Rudolf Hundstorfer antreten sollte?

Wenn Rudi Hundstorfer antritt, hat er meine Unterstützung. Da sind Erwin Pröll und ich Profis genug, um zu wissen, was zu tun ist.

Wenn man Sie die letzten Monate beobachtet hat, scheint ein nochmaliges Antreten bei der Landtagswahl 2020 möglich.

Wenn es mir weiter so viel Spaß macht und die Zustimmung der Bevölkerung so groß bleibt, ist es denkbar.

Es könnte sein, dass Sie bleiben müssen, weil Ihr potenzieller Nachfolger Polizeidirektor Hans Peter Doskozil Minister wird?

Ich sehe mehrere potenzielle Nachfolger, insofern bin ich ganz entspannt.

Wer noch? Landesrat Darabos, Energie-Burgenland-Chef Gerbavsits?

Das haben Sie gesagt.

Aber Doskozil ist dabei?

Doskozil ist sehr politiktauglich.

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