Die Maßlosigkeit des Otto Muehl

Mühl-Kommune
Ein Ex-Kommunarde über den umstrittenen Aktionisten, der keine Grenzen anerkennen wollte.

Im Eisenstädter Krankenhaus wird folgende Geschichte über Otto Muehl überliefert: Als der Aktionist im Gefängnis saß, lag seine Mutter im Krankenhaus. Zwei Mal durfte er sie besuchen. Muehl kam mit Handschellen, begleitet von zwei Justizwachebeamten. Bevor er das Krankenzimmer betrat, wurden ihm die Handschellen abgenommen, die beiden Beamten folgten. Seiner Mutter erzählte er, dass er derzeit in Los Angeles arbeite, und die beiden Männer seien seine Bodyguards.

Die Maßlosigkeit des Otto Muehl
friedrichshof in zurndorf, ehemalige kommune, schär
War Otto Muehl also ein Bluffer? „Er war mehr als das. Aber diese Frage ist nicht so einfach zu beantworte“, sagt Peter Schär, Ex-Kommunarde und jetziger Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Friedrichshof – dort, wo vor 40 Jahren die Rede von freier Sexualität war, alles gehört allen, wir sind eine Familie (80 bis 100 Personen lebten damals am Friedrichshof) und die Abschaffung der Zweierbeziehung postuliert wurde.

„Er war“, erinnert sich Schär „ein großer Charismatiker, extrem spontan, ein Spieler, der alles auf eine Karte setzte, und sehr maßlos war.“ Er wollte keine Grenzen anerkennen.

Auf der anderen Seite entwickelte Muehl, der in Gols nahe von Zurndorf, aufgewachsen ist, einen „sehr autoritären Stil.“ Der führte auch 1989/’90 zur Entmachtung des Künstlers, den das Museum Moderner Kunst heute „zu den bahnbrechenden des 20. Jahrhunderts“ zählt. Die Situation damals stellte sich für Schär ähnlich dar wie für Gorbatschow, der die Sowjetunion umkrempeln wollte. Muehl wurde von seinen Kommunarden entmachtet.

Gescheitert

Die Maßlosigkeit des Otto Muehl
Das Modell von Muehl und seiner Idee, eine alternative Gesellschaft zu gründen, war gescheitert. Anfangs war seitens der Kommunarden daran gedacht worden, alles zu verscherbeln und sich aufzulösen. Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich früher am Friedrichshof die Klinke in die Hand gaben, haben sich „in Panik von uns abgewandt. Sie ließen uns fallen wie eine heiße Kartoffel“, wobei Schär zu deren Verteidigung sagen möchte: „Es wurde ihnen etwas vorgespielt.“

1991 wurde eine Genossenschaft gegründet, wo sämtliche Kommunarden für sich selbst verantwortlich waren. Das vorhandene Vermögen war in der Genossenschaft geparkt.

Harte Zeiten

Die ersten zehn Jahre seien „hart“ gewesen. Schär und seine Mitstreiter mussten erst einmal das „böse“ Image vom Friedrichshof wegbekommen. Das war nicht so einfach. Und zweitens: „Es war kein Geld da.“ Durch Bilderverkäufe von Otto Muehl – hier vor allem an die Leopoldstiftung – besserte sich die finanzielle Situation.

Jetzt lebt es sich anders am Friedrichshof als zu Zeiten der Kommune (rund 20 davon leben heute noch dort). „Ich glaube kaum, dass ich für unsere drei Kinder einen besseren Platz hätte finden können als hier“, sagt Harald Schau. Es sei ein sehr „vielfältiger Ort“, mit Spielplätzen, Freizeitmöglichkeiten, „ein Platz der Ruhe“.

„Die Lebensqualität ist hier kaum zu übertreffen“

Die Maßlosigkeit des Otto Muehl
friedrichshof in zurndorf, ehemalige kommune
Gerfried Sperl, einst Chefredakteur des Standard und heute Kolumnist, hat sich vor mehr als einem Jahrzehnt hier angesiedelt. Er spricht in den höchsten Tönen über die Wohnanlage am Friedrichshof: „Die Lebensqualität ist hier kaum zu übertreffen.“ Und: „Wahrscheinlich ist das hier der einzige Platz im Burgenland, wo soviel architektonische Qualität versammelt ist.“

Das Verhältnis zwischen den Kommunarden und den Burgenländern war gespalten. Während die Bauern, so wird erzählt, sich nach der Arbeit am Feld ein Bier vom Friedrichshof holten (Muehl hatte sie immer wieder darauf eingeladen), hatte die heute 61-jährige Waltraut Hirmann, Gasthausangestellte, keinen Kontakt. „Man sah die Leute vom Friedrichshof kaum in der Ortschaft“, sagt sie. „Und wenn, dann kamen sie uns schon komisch vor mit ihrer Glatze und den Latzhosen.“

Silvia Nittnaus, Pfarrerin in Zurndorf und gebürtige Golserin, kannte Otto Muehl seit ihrer Kindheit. Vater Muehl war in ihrer Heimatgemeinde Volksschullehrer und Organist. „Vor Otto Muehl hatte ich immer Angst“, erinnert sie sich. „Der Vater war aber sehr nett.“

Eine pensionierte Gemeindebedienstete hatte mit der Kommune nie Schwierigkeiten. Die Anmeldungen der Neuzugänge liefen stets korrekt ab. Zu Gesicht haben man sie nicht bekommen. „Die hatten immer eine Vertrauensperson.“ Auch die baubehördlichen Abwicklungen verliefen immer so, „wie es sich gehört“. Immerhin hat die Kommune Wohnbauförderung bekommen.

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