Die aussterbenden Rohrwölfe

Arbeiten im Schilf
Milde Winter machen den Schilfschneidern zu schaffen. Immer mehr geben ihr Gewerbe auf.

Die Saison ist vorbei, die Erntemaschinen allesamt wieder an Land. Schilfschneider Erwin Sumalowitsch aus Podersdorf zieht Bilanz: "Die Saison war so schlecht wie noch nie. Das war das dritte Jahr in Folge ohne Eis. Dazu kommt, dass der Wasserstand heuer sehr hoch ist." Der Schilfschneider beklagt, dass die Ernte immer geringer ausfällt, man kaum noch davon leben kann. "Ich kenne vier Firmen, die jetzt damit aufhören. Es rentiert sich einfach nicht mehr."

Seit Generationen schneidet die Familie Sumalowitsch Schilf am Ostufer des Neusiedler Sees. "Als Bub bin ich mit meinem Vater mitgegangen. Ich fand das Schilfschneiden schon immer interessant, habe mich aber in jungen Jahren entschieden, Mechaniker und Schlosser zu lernen", erzählt der 58-Jährige. Später war er als Lkw-Fahrer in ganz Europa unterwegs und habe so potenzielle Kunden kennengelernt. "Ich habe Schilf als Nische entdeckt und meine Kontakte genützt, um damit Geld zu verdienen."

Heute hat der Podersdorfer 3500 Hektar Schilffläche gepachtet, stellt hauptsächlich Dachschilf und Isolierplatten her und exportiert nach Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark und die Niederlande. "Ich bin der letzte, der noch davon leben kann", sagt Sumalowitsch, denn die Bewirtschaftung werde von Jahr zu Jahr schwieriger. "Wir sind wetterabhängig. Die Winter werden immer milder und wenn der See nicht zufriert, können wir mit unseren Maschinen nicht hinausfahren."

Weil aus Naturschutzgründen aber nur zwischen 1. November und 15. März geerntet werden darf, hat sich Sumalowitsch etwas einfallen lassen, damit er auch ohne Eis zu seinem Schilf kommt. "Wir benutzen Erntemaschinen der Marke Eigenbau. Nur so haben Vorschau wir bis heute überleben können", meint er. Andere Schilfschneider – übrigens Rohrwölfe genannt – hätten genau aus diesem Grund aufhören müssen. "Ohne geeignetes Gerät kann man ohne Eis nicht schneiden."

Doch das hat seinen Preis: neun Motoren habe er bereits verbraucht, weil die Geräte immer unter Wasser sind und so schneller kaputt werden. Neben den milden Wintern gibt es noch einen Grund, warum immer mehr Schilfschneider ihr Gewerbe beenden. "Mittlerweile ist es billiger, Schilf aus China zu importieren."

"Tod für den See"

Kann das Schilf nicht geerntet werden, hat dies auch Folgen für die weiteren Saisonen. "Schilf ist eine einjährige Pflanze und muss, damit sie nachwächst, jedes Jahr geschnitten werden. Passiert dies nicht, wächst kein neues nach und altes Schilf ist unbrauchbar. Das kann man nicht verarbeiten", erklärt Sumalowitsch.

Weil es aber auch nicht abgebrannt werden darf, gibt es immer mehr Schilfflächen, die brach liegen. Dabei sei das Schilf so wichtig für den See, betont er. "Es ist ein Naturfilter und wie jeder Filter gehört auch Schilf erneuert, sonst haben wir bald eine stinkende Kloake. Das ist der Tod für den See."

Sumalowitsch fordert daher seit Jahren, dass die Politik eingreift und ein gezieltes Abbrennen erlaubt, aber "niemand kümmert sich darum". Dennoch will der 58-Jährige vom Aufhören nichts wissen. "Ich möchte noch zehn Jahre weitermachen."

Die aussterbenden Rohrwölfe
Schilfgürtel am Neusiedler See

Rund 180 von den insgesamt 320 Gesamtfläche des Neusiedler Sees sind heute mit Schilf bedeckt. Der Schilfgürtel stellt damit den zweitgrößten zusammenhängenden Schilfbestand Europas dar. Durch die vorherrschende nordwestliche Luftströmung wächst am Ostufer deutlich weniger Schilf als am Westufer. Zehn bis 15 Prozent des Schilfgürtels werden von Landwirten und professionellen Schilfschneidern – den Rohrwölfen – im Winter maschinell geerntet und teilweise weiterverarbeite

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