"Nie etwas Feindseliges erlebt"

"Nie etwas Feindseliges erlebt"
Die Regierung sucht tausend Privatunterkünfte für Flüchtlinge. Im "Haus Burgenland" in Horitschon klappt das seit Jahren.

Horitschon, Mittelburgenland, Blaufränkischland mit namhaften Winzern, eine Ortschaft mit 1906 Einwohnern: Dort steht seit Ende der 1960er-Jahre der Gasthof Lazarus, gestrichen in hellem Gelb mit weißer Aufschrift "Haus Burgenland".

Zwei Gebäude sind es mit 40 Zimmern, die meisten mit zwei Betten, alle aber mit Nasszelle und Fernsehapparat. Von außen wirkt der Gasthof wie stillgelegt. Dabei gibt es gut 70 Gäste: Asylwerber. Von alten Zeiten als Treffpunkt für Nachtschwärmer ist nichts mehr zu spüren. "Wir hatten hier die erste Diskothek im Burgenland", erzählt der Hausherr mit dem biblischen Nachnamen, Herr Anton Lazarus, und lacht dabei.

"Nie etwas Feindseliges erlebt"

In einem Raum, wo früher getrunken und gegessen wurde, lernen Flüchtlinge heute Deutsch. Gerhard Bollardt, Ex-ORF-Beschäftiger, hält als Autodidakt dienstags bis donnerstags Deutschkurse. Dazu ist er Chauffeur für Arzt- oder Behördenwege, Krankenschwester, Seelsorger. Für jene, die so weit sind, eine Prüfung mit staatlicher Anerkennung abzulegen, treibt er im Freundes- und Bekanntenkreis Sponsoren für die 98 Euro teuren Prüfungsgebühren auf. Von den 70 hier lebenden Flüchtlingen kommen 60 in seine Kurse.

Bis Mitte der 1980er-Jahre war der Gasthof Lazarus vor allem Hotel. Zuweilen beherbergten die Gastwirte damals schon Flüchtlinge. Gäste, Engländer und Pensionisten, fanden ebenso Quartier wie Flüchtlinge aus Polen, später auch aus Ex-Jugoslawien und Rumänien. Doch das Geschäft mit dem Tourismus lief nicht so recht. So stellte Herr Lazarus, heute 57 Jahre alt, bei der Existenzsicherung des Betriebes auf die Beherbergung von Flüchtlingen um.

"Nie etwas Feindseliges erlebt"

Je Flüchtling gibt es vom Staat 16 Euro pro Tag. Zu 50 bis 60 Prozent erhält sich heute der Gasthof durch diese Einnahmen. Für Herrn Lazarus, der, wie er sagt "vor fünf oder sechs Jahren nach einem Ereignis" sehr gläubig wurde, ist dieses Geschäft ein Geschenk "vom Herrgott. Ich muss die Nacht nicht mehr wie früher mit Betrunkenen verbringen."

Die meisten Bewohner sind Männer Mitte 20. Ihre Anwesenheit prüft der Quartiergeber, genau genommen sein Assistent, der 34-jährige Nordiraker Assad, die rechte Hand von Herrn Lazarus, täglich beim Essen. Regelmäßig kommt außerdem die Polizei – zur Kontrolle.

2003 kam Assad nach Horitschon, sein Asylverfahren ging gut aus, bald wird er eingebürgert. Er spricht sieben Sprachen, ist Dolmetscher und hilft, wo es nötig ist: vom reibungslosen Ablauf bei den Mahlzeiten bis zum Schlichten von Konflikten zwischen Bewohnern. Assad hat sich gut zurecht gefunden: "Horitschon, der ganze Bezirk ist super. Ich habe nie etwas Feindseliges erlebt." Der Bürgermeister Peter Heger (SPÖ) bestätigt: "Es gibt keine Gruppe im Ort, die Flüchtlinge grundsätzlich ablehnt."

Über den Grund für den bundesweiten Mangel an Quartieren für Asylwerber hat sich Lazarus noch keine Meinung gebildet: Er habe nur gehört, dass es in Tourismusregionen schwierig sei, Plätze zu finden, weil der Tagsatz von 16 Euro die Kosten nicht decke. Seine Entscheidung für die Flüchtlinge habe wirtschaftliche Gründe gehabt: "Von irgendwas muss man ja leben." Und: "Ich will, dass es ihnen wieder gutgeht."

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