"Aus Anlass wird gegen Schlepper mehr gefahndet"

"Aus Anlass wird gegen Schlepper mehr gefahndet"
Der Kriminalsoziologe Arno Pilgram beleuchtet Details zur aktuellen Statistik.

Die Kriminalitätsstatistik für 2015 zeigt, dass sich die Zahl der Strafanzeigen auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren befindet. Arno Pilgram vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie erklärt, was die Statistik bedeutet und warum die Zahl der Anzeigen gegen Schlepper und im Bereich Cyberkriminalität steigt.

KURIER: Wie aussagekräftig sind Kriminalitätsstatistiken der Polizei? Was kann der Bürger aus den Zahlen herauslesen?

Arno Pilgram: Man erfährt in erster Linie etwas über die Strafanzeigen. Das ist nicht nichts. Dabei handelt es sich im Übrigen nicht um willkürliche Anzeigen. Vielmehr sind das Anzeigen, die wesentlich genug sind, um an die Staatsanwaltschaft weitergegeben zu werden. Dort werden sie dann akribischer geprüft.

Wie viele der Strafanzeigen münden dann tatsächlich in Verurteilungen?

Das passiert schlussendlich bei weniger als einem Fünftel.

[Korrektur: In der ersten Version hieß es "bei weniger als einem Drittel"]

Letztes Jahr wurde die niedrigste Zahl an Anzeigen in den vergangenen zehn Jahren registriert. Was sind die Gründe dafür?

Diese Frage ist generell schwer zu beantworten. Es ist für die Kriminalsoziologie einfacher, steigende Zahlen zu erklären. Die Gründe für weniger Strafanzeigen können unterschiedlicher Art sein. Die Alterung der Bevölkerung kann ebenso hineinspielen, wie die Vorsicht der Menschen in Krisenzeiten wie diesen, für die Justiz auffällig zu werden. Also dass sie Angst davor haben, keine Arbeit mehr zu finden. Was auch ein Grund sein könnte: Die Menschen erwarten sich heutzutage nichts mehr davon, zur Polizei zu gehen.

37 Prozent der ausgeforschten Tatverdächtigen sind Nicht-Österreicher. Warum ist diese Zahl so verhältnismäßig hoch?

Hier muss man unterscheiden und darf nicht nur die ausländische Wohnbevölkerung in Österreich sehen. Viele der Strafanzeigen werden gegen Nicht-Österreicher eingebracht, die sich als Touristen oder aus anderen Gründen im Land aufhalten. Die Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union mag hier auch eine gewisse Rolle spielen. Die Struktur der ausländischen Wohnbevölkerung mag sicherlich auch ein Grund für die verhältnismäßig hohe Anzahl an Strafanzeigen sein. Ein überdurchschnittlich großer Teil kann zu Risikogruppen gezählt werden: Jung, männlich, sozial schlecht gestellt.

Wie kann man diesen Risikogruppen gegenübertreten? Durch bessere Integration?

Gerade in Krisenzeiten, wie wir sie gerade durchleben, sind junge Nicht-Österreicher in den Risikogruppen verhältnismäßig stärker betroffen. Tut man nichts, um diese Gruppen zu unterstützen, darf man sich nicht wundern, wenn dieses Risiko schlagend wird.

Wie lässt sich der deutliche Anstieg von Schleppereidelikten erklären?

Ich nehme an, dass es an einer proaktiven Schwerpunktsetzung durch die Polizei liegt. Es wird aus entsprechendem Anlass verstärkt gefahndet. Durch Vorfälle wie jenem auf der A4 im letzten Sommer, kommt die Polizei gar nicht umhin, dem Phänomen Schlepperei mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Das lässt sich auch immer wieder im Bereich Drogenkriminalität beobachten und schlägt sich natürlich auch in der Statistik nieder.

Auch die Cyberkriminalität stieg deutlich an. Wie lässt sich das erklären?

Der Bereich wird sich in den nächsten Jahren auch weiterhin dynamisch entwickeln. Einfach deswegen, weil sich mehr gesellschaftliche und geschäftliche Aktivitäten in den virtuellen Raum verlagern. Das ist genauso wie mit den Supermärkten: Als die damals aufkamen, stieg die Zahl der Ladendiebstähle ebenfalls deutlich an.

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