Visionen: So wird 2030

Roboter ersetzen Banker, Kreditkarten das Bargeld.
Mit welchen Hoffnungen, Wünschen und Befürchtungen wird in die Zukunft geblickt? Der KURIER hat zehn Persönlichkeiten – vom Forscher bis zum Flüchtling – befragt.

"Krebs wird behandelbar"

Univ.-Prof. Markus Hengstschläger, Genetiker

Visionen: So wird 2030
Jeff mangione

Es gibt drei große Gebiete, in denen es große Fortschritte geben wird. Zum einen werden Gentherapien funktionieren – wenn ein Gen defekt ist und zu einer Erkrankung wie etwa Krebs führt, gibt es jetzt schon erste Methoden, um solche genetisch krankhaften Veränderungen zu korrigieren. Vorreiterin dafür ist Emmanuelle Charpentier, die mit ihrer Crispr/Cas9-Methode die Grundlage dafür geschaffen hat. Damit werden bestimmte Krebsarten behandelbar werden. Man wird viele Formen nicht los, aber man wird vielleicht damit leben können.

Zweitens haben wir in der Forschung in den vergangenen Jahren viele Voraussetzungen dafür geschaffen, Stammzellen therapeutisch einzusetzen, wie es jetzt schon etwa bei Leukämie geschieht. Dabei werden Stammzellen entnommen und in einer Kultur so verändert, dass sie vor Ort funktionieren. So gibt es jetzt schon Studienversuche mit Stammzellentherapien gegen Diabetes oder auch gegen Makuladegeneration (Netzhauterkrankung des Auges).

Der dritte Bereich betrifft zwei Entwicklungen, die Grund zur Freude, aber auch zur Sorge geben. Beim Next Generation Sequencing werden die genetischen Informationen von Menschen erhoben, was viele Möglichkeiten für die Forschung öffnet. Gleichzeitig gibt es jetzt die Möglichkeit, in der Schwangerschaft über einen Bluttest herauszufinden, ob das Ungeborene schwere genetische Defekte hat. Bis zum Jahr 2030 wird es also keine invasive Pränataldiagnostik wie etwa eine Fruchtwasseruntersuchung mehr geben. Allerdings muss man diese Entwicklung ethisch begleiten und diskutieren, was wir testen wollen und was ethisch vertretbar ist. Hier habe ich große Sorge, ob wir diesen Aufgaben und der ethischen Diskussion gewachsen sind.

2030: Den KURIER gibt es noch, aber etwas anders

Helmut Brandstätter, KURIER-Chefredakteur

Visionen: So wird 2030
Gilbert novy

Tagebuch: Dienstag, 1. Jänner 2030. Ruhiger Silvester. Bin früh aufgestanden, um Zeitung zu lesen. Ich muss ja nicht mehr vors Haus, der 3-D-Drucker hat mir meinen personalisierten KURIER ausgedruckt. Meine Nachfolgerin macht einen guten Job. Feine Reportagen, deutliche Kommentare. Konsequenzen? Das Wesentliche an der Zeitung ist der Überblick im Wust der Informationen. Und dass ich den Journalisten vertrauen kann.

Die Kurznachrichten, die mich den ganzen Tag auf dem riesigen Screen im Wohnzimmer bombardieren, sind zwar teilweise interessant, aber das meiste wird von PR-Firmen produziert. Guter Journalismus war noch nie so wichtig wie jetzt, wo so viele News permanent eintreffen, auch Regierungspropaganda, die früher ein paar skrupellose „Verleger“ reich gemacht hat. Die habe ich geblockt. Das Neujahrskonzert habe ich mir live angesehen, dann Fußball aus England. Die TV-Sender, die es noch gibt, senden permanent live, Serien und Filme kommen über das Netz. Wir wissen mehr als früher, aber um Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir uns mehr anstrengen. Andererseits muss man nicht lesen können, da alle Infos auch als bewegte Bilder kommen, das wird die Gesellschaft weiter verändern. Aber verbessern?

"Roboter ersetzen Banker, Kreditkarten das Bargeld"

Susanne Höllinger, Chefin der Kathrein Privatbank

Visionen: So wird 2030
Kathrein privatbank

2030 wird es keine Bankfilialen mehr geben. Kunden mit sehr speziellen und komplizierten Anliegen werden in einigen wenigen Bank-Kompetenzzentren von Experten beraten. Alle anderen werden ihre Bankgeschäfte online erledigen und sich von Robo-Advisern Tipps für die Geldanlage holen. Überweisungen in ganz Europa werden „real-time“, also binnen einer Minute, erledigt. Die IT-Sicherheit wird durch Augen-Erkennung und neue Hightech wesentlich erhöht. Die herkömmliche Absicherung über TAN gehört dann der Vergangenheit an. Auch das Wechseln des Kontos von einer Bank zur anderen geht in Minutenschnelle. Denn die Bankprodukte sind standardisiert.

Die Banken beschäftigen viel mehr IT-Experten als Finanzspezialisten. Vollzeitarbeitsplätze gibt es kaum noch. Sehr viele arbeiten in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, von zu Hause, Teilzeit und höchst flexibel. Bezahlen mit Bargeld hat kaum noch Bedeutung. Zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung ist die Bargeldmenge pro Person auf einen kleinen Betrag beschränkt. Kreditkarten sind die üblichen Zahlungsmittel. Die Banken selbst sind noch strenger reguliert als heute. 2020 sollte der Regulierungshöhepunkt erreicht sein.

"Schule trennt nicht mehr, sondern sie eint"

Niki Glattauer, Lehrer, Autor & KURIER-Kolumnist

Visionen: So wird 2030
Jeff mangione

Schule 2030? Das erste Szenario sähe so aus: * Schule trennt nicht mehr, sondern sie eint. Es gibt e i n e achtjährige Pflichtschule der 7- bis 14-Jährigen, danach ein Berufsvorbereitungsjahr für ALLE, abschließend für die einen die AHS-Oberstufe Richtung Uni, für die anderen Berufsschule, HTL, HaScH, HAK, etc.* Das Ziel von Schule ist es, a) neugierig zu machen und b) Neugier zu befriedigen. Dafür wird 9-to-5 gelernt, geforscht, geübt, es werden Hürden aufgestellt und genommen – gemeinsam. Es geht nicht darum, besser zu sein als der andere, sondern besser als der, der man war. *Schulen wären das ganze Jahr über offen und, ähnlich buddhistischen Tempeln, Orte des Lernens, des Kennenlernens, also der Begegnung. „Lehrverpflichtung“ oder „schulfremde Person“ sind Vergangenheit. * Verpflichtender Religionenunterricht im Modus einer „Ringvorlesung“, unabhängig von religiösen, a- oder anti-religiösen Bekenntnissen der Schüler, Ethik ist Teil davon. Mathe bekommt den Stellenwert eines wichtigen Hilfsgegenstands für das bessere Verstehen der Naturwissenschaften und wird auf zwei Wochenstunden reduziert (das Curriculum erstellt Prof. Rudolf Taschner ;-) * Lehrer werden als hoch qualifizierte Lebensabschnittsbegleiter wahrgenommen, genießen einen hohen gesellschaftlichen Status (ähnlich jenem von Richtern, Herren-Abfahrern und Ärzten). Die Höhe des Gehalts richtet sich nach dem Alter der Kinder, je jünger, desto höher der Lohn. „Kinder-Gärtnerinnen“ verdienen demnach am meisten. Das zweite Szenario ist leider das wahrscheinlichere: * Bis 2030 wird sich auch die x-te Bildungsministerin an der AHS-Gewerkschaft die Zähne ausgebissen haben. Ein blauer „Familien- und Schulen-Minister“ denkt die Einführung von christlichen Militärschulen an. Der Struwwelpeter wird in der 8-jährigen Volks-Schule Pflichtlektüre.

"Land der Gründer"

Herbert Rohrmair-Lewis, Unternehmer und Chef der Jungen Wirtschaft

Visionen: So wird 2030
Franz Gruber

Im Jahr 2030 ist Österreich wieder eines der erfolgreichsten und fortschrittlichsten Länder Europas. Nach ersten zaghaften Versuchen vor dem Jahr 2016 erkennen die Politiker das riesige Unternehmerpotenzial und entwickeln einen beispielhaften Reformeifer. Die Erfolgsformel: Partner Staat. Der Staat hat sich vom bevormundenden und alles regulierenden Übervater zu einem schlanken Partner und Enabler entwickelt, der Eigenverantwortung und Selbstinitiative seiner Bürger fördert und Freiraum zur unternehmerischen Entfaltung schafft. In einer offenen und flexiblen Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit verschwimmen, entsteht so ein „entrepreneurial mindset“ – Österreich ist das unternehmerischste Land Europas.

Der Erfolg ist im Jahr 2030 schon an allen Ecken sichtbar: ein Gründungsboom bei neuen Unternehmen, Spitzenplätze bei internationalen Rankings, eine Beschäftigungsquote wie in den 2000er-Jahren, Vorreiter in Forschung- und Entwicklung, Best-Practice-Beispiel für eine effiziente Verwaltung, die höchste Beschäftigungsquote bei Pensionisten, und vieles mehr.

Jungunternehmer, Start-ups und Gründer waren mit ihrem Spirit schon seit jeher die Optimismus-Tankstellen der Wirtschaft. Im Jahr 2030 werden sie es sein, die Österreichs Erfolgsstory schreiben und Entwicklung befeuern – dank eines Staates als Partner und Enabler.

"Ich werde Anwalt sein"

Samiullah El-Khani, Flüchtling aus Afghanistan

Visionen: So wird 2030

Ich lebe jetzt seit sechs Monaten in Österreich, bei einer Familie in Wien. Ich denke viel über die Zukunft nach. Noch fällt es mir schwer, über ein Leben im Jahr 2030 nachzudenken, wenn ich noch immer nicht weiß, ob ich in Österreich Asyl bekommen werde. Aber ich wünsche mir, dass ich in 14 Jahren meine Anwaltsprüfung abgelegt habe und in einer Rechtsanwaltskanzlei arbeite. Der Job war für mich gar nicht so schwer zu bekommen, da ich dann neben Farsi, Turkmenisch, Paschtu, Türkisch, Hindi und Englisch natürlich auch akzentfrei Deutsch sprechen werde.

Ich hoffe, dass ich dann auch eine liebevolle Frau gefunden habe, und eine Familie mit Kindern habe. Ich wohne in einem kleinen Haus am Stadtrand oder einer schönen Wohnung, mein Elektroauto steht in der Garage und vielleicht werde ich auch ein Pferd besitzen, wie damals in Afghanistan – mein Vater und mein Onkel waren hervorragende Reiter. Ich wünsche mir, dass ich in der Albertus-Magnus-Schule, in der ich jetzt Deutsch lerne, ein Vorbild für die jungen Schüler sein kann, und ihnen zeigen kann, dass man seine Träume mit viel harter Arbeit auch verwirklichen kann. Natürlich hoffe ich auch, dass ich mich dann um meine Mutter kümmern kann, die derzeit in der Türkei lebt. Und ich bin mir sicher, dass ich 2030 gemeinsam mit meinem Rugby-Team von den Donau-Piraten die Meisterschaft gewinne werde und wir das beste Team in Österreich sind. Aber bevor ich mir das alles wirklich vorstellen will, hoffe ich, Asyl zu bekommen, damit ich mein Leben endlich selbst in die Hand nehmen kann.

"Zukunft liegt in der digitalen Welt"

Harald Mahrer, VP-Staatssekretär

Visionen: So wird 2030

Die Digitalisierung stellt alles auf den Kopf. Sie ist der zentrale Treiber von Veränderung und der Innovationsmotor der Zukunft.Wir haben die Chance, auf der digitalen Reise Pilot und nicht Passagier zu sein. 2030 ist Österreich Teil der globalen Innovationsführer. Am Weg dorthin müssen wir im Cockpit sitzen und die Richtung vorgeben, nicht andere. Die große gesellschafts- und wirtschaftspolitische Chance des digitalen Wandels liegt in der konsequenten Förderung einer echten Unternehmer-Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der deutlich mehr Menschen als heute unternehmerisch tätig sind. Dazu brauchen wir mehr Freiheitsbewusstsein und einen positiven Zugang zu Wirtschaft und Unternehmertum. Ein Vorbild dafür ist Österreichs Start-up-Szene. In Zeiten, wo professionelle Krankjammerer das Stimmungsbild prägen und miesmachen, herrscht bei den Start-ups eine beeindruckende Aufbruchsstimmung.

Sie sind beseelt vom Unternehmergeist und voller Tatendrang: Sie sind in der digitalen Welt daheim, haben Hunger auf Veränderung und denken groß. Sie wollen einen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten – in eigener Freiheit und Verantwortung. Genau diese positive Einstellung braucht es, wenn wir unser Land wieder zurück an die Spitze führen wollen. Besonders jetzt, wo Wachstum keine Selbstverständlichkeit mehr ist. An einer leistungsstarken Wirtschaft hängt unser gesamtes Gesellschaftsmodell. Breiter Wohlstand und soziale Sicherheit sind ohne Wachstum nicht zu haben. Und die Zukunft unseres Wachstums liegt in der digitalen Welt.

"Wahlrecht für alle, die hier leben"

Katharina Kucharowits, SPÖ-Abgeordnete

Visionen: So wird 2030
Deutsch Gerhard

Ob sie im Jahr 2030 noch in der Politik sein wird, kann Kucharowits (32) heute noch nicht sagen. „Auch in der Vergangenheit hat sich meine Biografie so gestaltet, dass ich viele Dinge nicht lang im Vorhinein geplant habe. Ich hab’s aber immer so gehalten, das, was ich gemacht habe, aus Überzeugung zu machen – und das würde ich auch gerne 2030 noch sagen können.“

Eine „Träumerei“, die womöglich bis dahin Wirklichkeit wird: „Einmal ein kleines Lokal zu haben. Vielleicht erfüllt sich das bis 2030 – vielleicht auch nicht.“ Was sich politisch in den kommenden 15 Jahren tun sollte, davon hat Kucharowits genaue Vorstellungen: „Heute sind viele Menschen von demokratischen Prozessen ausgeschlossen, obwohl sie seit ewigen Zeiten in Österreich leben.“ Ein Wahlrecht für alle, die hier dauerhaft leben, sollte das ändern.

Als Kinder- und Jugendsprecherin im Nationalrat wünscht sich Kucharowits, „dass man sich 2030 nicht mehr zwischen Neuer Mittelschule und Gymnasium entscheiden muss, sondern dass es eine gemeinsame Schule gibt“. Ebenfalls auf der mittelfristigen Wunschliste: „Dass es Chancengleichheit gibt und es egal ist, wo man zu Hause ist und welchen finanziellen Hintergrund man hat.“ 2030, sagt Kucharowits, sollte die Vereinbarkeit von Kind und Karriere nicht mehr Gegenstand der Debatte, sondern Realität sein – inklusive Rechtsanspruch auf ein Papamonat. Auch die Arbeitszeit sollte bis dahin besser verteilt sein: „Heute haben viele keinen Job, andere arbeiten sich krank.“

"Österreich kann stolz sein"

Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museum Wien

Visionen: So wird 2030
Rainer Eckharter

Was sind Ihre Wünsche?Ich wünsche mir, dass Österreich 2030 nach wie vor eine Kulturnation ist, die noch immer stolz auf ihr historisches Erbe sein kann. Die Wissenschaft und Forschung sind ein internationales Aushängeschild und Österreich ein attraktiver Forschungsstandort. Im Zentrum Europas sind wir ein internationales und offenes Land, in dem sozialer Friede und wirtschaftliche Prosperität herrscht.

Was sind Ihre Befürchtungen? Ich möchte es positiv formulieren und konstruktiv an einer möglichen Zukunft arbeiten: Österreich kann stolz auf seine Menschen und Leistungen sein. Dafür müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Bildung und Kultur uneingeschränkt zugänglich machen, d. h. wir müssen in diese Bereiche investieren. Wir als Universalmuseum können eine 5000-jährige globalisierte Geschichte erzählen. In einer globalisierten Welt ist es besonders wichtig, die eigene Identität und Geschichte zu kennen, um sich zu orientieren. Museen sind Wissens- und Erinnerungstanker, sind die DNA einer Nation. Unsere Aufgabe ist es, die Inhalte aufzubereiten und zu vermitteln. Dazu möchte ich mit meiner Arbeit einen ganz persönlichen Beitrag leisten. Um diese Arbeit konsequent und innovativ leisten zu können, brauchen wir das Bekenntnis der Politik zu diesen Werten und eine entsprechende Finanzierung.

Wo sehen Sie sich persönlich 2030? 2030 hoffe ich, einen Beitrag zu meinen Wünschen geleistet zu haben. Persönlich werde ich dann nicht mehr KHM Generaldirektorin sein, vielleicht aber wieder als Wissenschaftlerin tätig sein.

"Tradition als große Chance"

Paul Scharner,ehemaliger Fußball-Nationalspieler

Visionen: So wird 2030
Wolfgang atzenhofer

England-Legionär und Buchautor, ist in all diesen Funktionen als Vertreter ungewöhnlicher bis schräger Ansichten bekannt geworden.Sein Blick in die Zukunft ist mit einem gedanklichen Rückzieher verbunden. „Traditionelle Werte müssen und werden wieder in den Vordergrund rücken. Ich habe keine Ahnung, welche technischen Revolutionen noch kommen werden, wie sich die sozialen Medien entwickeln. Ich bin aber überzeugt, dass die Menschen erkennen werden, wie wichtig es ist, wieder miteinander zu reden. Und zwar Aug’ in Aug’.“

Scharner ist Vater von vier Kindern, im Sommer 2016 wird das fünfte folgen. Er liege damit im Trend, der die Rückbesinnung auf den Verband der Familie beinhaltet. „Familie vermittelt Zusammenhalt, und funktionierende Familien sind die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft, die Menschlichkeit und Offenheit als höchstes Gut versteht.“ Dies sei die einzige Chance, die momentane Veränderung in der Bevölkerung zu bewältigen. „Aktiv muss das geschehen, unterstützend. Ich war in den letzten Jahren selbst Ausländer und für jede Hilfe dankbar.“ 27 wird Constantin, sein ältester Sohn, im Jahr 2030 sein. „Also ein Erwachsener, dem ich all diese Werte mitgegeben habe.“

Scharner, der Optimist aus Überzeugung: „Die Mehrheit der Menschen wird 2030 so denken. Weil sie erkannt haben, dass das System sonst in sich zusammenbrechen würde.“

Das Spannende an dieser Serie "Was wird aus Österreich?" ist, dass man überall, in Betrieben, an den Unis und auch unter den Beamten Leute trifft, die sich Gedanken über die Entwicklung in ihrem Bereich machen und darauf vorbereiten. Ein kleiner Auszug: Eine Bankerin glaubt, dass es dann kaum noch Bankfilialen mehr geben und ein Großteil der Arbeit von Robotern erledigt wird, ein Lehrer hofft auf die kreative Schule und ein Unternehmer auf eine aktive Gründerszene.

Vielleicht wird auch in den Parteien über Entwürfe für eine künftige Gesellschaft nachgedacht, wo es keinen Bedarf nach ungelernten Arbeitern mehr geben wird, wo vieles automatisiert sein wird, wo noch schnellere Netze immer mehr Information durch bewegte Bilder statt durch Texte übertragen werden. Das wird Auswirkungen haben, wie wir informiert werden. Texte werden weniger wichtig, das verändert auch die Art von öffentlicher Kommunikation, von Beeinflussung durch die Politik. Noch mehr Emotionen kommen auf uns zu.

Aber in den Parteien denkt man bestenfalls an die nächste Wahl, gesteuert von der Angst, zu verlieren. Ja, die Angst steuert viele und vieles in unserem Land. Die Zukunft wird durch die verzerrende Brille der Vergangenheit gesehen, Veränderungen sind schwierig. Menschen wachsen durch Herausforderungen, meinte kürzlich eine gescheite Pädagogin. Richtig. Dasselbe gilt für Gesellschaften. Nur bei uns glaubt man, durch deutliche Abgrenzung und ängstliche Bewahrung des Bestehenden überleben zu können. Und Diskussionen werden nach dem Muster geführt: Nur ja nicht differenzieren, da müsste man die Komplexität der Themen eingestehen, dann aber taugen sie nicht mehr für Wahlplakate.

Wer differenziert, verliert in der Öffentlichkeit

In der Flüchtlingsfrage wird kaum akzeptiert, für Menschlichkeit und für Rechtsstaatlichkeit zu argumentieren. Wo ist der Widerspruch? Wer vorschlägt, dass Vermögen besteuert wird, ist gleich ein leistungsfeindlicher Linker, wer höhere Leistungen im Beruf verlangt, ein Ausbeuter. Und wenn man nur die Frage nach der künftigen Finanzierbarkeit des Sozialstaates stellt, kommt der Vorwurf, man wolle ihn abschaffen. Oder unser Föderalismus: Schnell wird man als als Feind der Bundesländer verdächtigt. Ex-Vizekanzler Willi Molterer berichtete im KURIER-Interview über den sogenannten Juncker-Fonds, wo Projekte in der EU finanziell gefördert werden. Wir könnten zum Beispiel Geld für den Breitband-Ausbau bekommen. Es gibt freilich ein Problem, "die Bundesländer-Projekte so zu bündeln, dass es für den Fonds von der Dimension her interessant ist." Wie bitte? Die Bundesländer schaffen es nicht, gemeinsam bei der EU Geld für ein Stück Zukunft abzuholen?

Private Unternehmen entwickeln sich weiter, weil sie sonst untergehen, Staaten überleben durch Steuererhöhungen. Da ist auch klar, wer die Verlierer sein werden: jene Menschen, die auf den Staat angewiesen sind. - Helmut Brandstätter

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