"Beste Köpfe, nicht billigste Hände"

Ein Blick in die Hightech-Produktion bei Infineon.
Infineon-Chefin Herlitschka setzt auf "Vorsprung durch Wissen" und die Industrie 4.0.

Wohin geht die Reise mit Österreich? Was muss getan werden, um das Land mit Blick auf 2030 zukunftsfit zu machen? Und was kann der Staat in diesem Kontext von einem führenden Hochtechnologie-Konzern lernen? Darüber sprach der KURIER mit Infineon-Österreich-Chefin Sabine Herlitschka. Künftige Herausforderungen als Chance begreifen und ein Maximum in die Ausbildung unserer Kinder investieren, sind ihre zentralen Ansätze.

KURIER: Frau Herlitschka, was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an 2030 denken? Wie wird der Standort Österreich in 14 Jahren dastehen?

Sabine Herlitschka: 2030 klingt weit entfernt, ist es aber in Wahrheit nicht. Man stelle sich vor: Heutige Kindergartenkinder werden 2030 mit ihrem Studium starten oder am Beginn ihrer Berufslaufbahn stehen. Bei allen Maßnahmen, die wir heute überlegen, sollten wir 2030 schon im Blick haben.

Wo wird Österreich dann stehen?

Ich sage anhand eines Beispiels, was ich mir wünsche: Dass einer Absolventin der Fudan Universität Schanghai, die sich 2030 überlegt, wo sie hingehen soll, nicht automatisch nur die USA einfallen, sondern auch Österreich. Ein Land in Europa, wo man Zukunft aktiv gestalten will, wo es viele gute Ideen gibt, die pragmatisch umgesetzt werden können – und wo man einfach gerne hin will.

"Wo man gerne hin will." Das erinnert jetzt spontan an die Flüchtlingsdebatte.

Ja, das kann in Zeiten von Obergrenzen missverständlich sein. Wenn die Regierung sagt, man müsse Österreich unattraktiver machen, kann das sicher nicht für uns als Tourismusland oder Wirtschafts- und Wissensstandort gelten.

Nochmals zurück: Man muss ja nicht gleich "abgesandelt" sagen, wie Kammer-Chef Leitl. Aber der Standort hat zweifellos an Attraktivität eingebüßt. Woran liegt das und was muss getan werden, um das zu ändern?

Sie sprechen zu Recht die Rankings an, wo wir laufend Plätze einbüßen. In einer globalisierten Wirtschaftswelt kann man schlechter werden, weil andere besser, schneller geworden sind. Dieser Tatsache müssen wir uns stellen.

Besser, schneller: Sind das die Stichworte, wenn es darum geht, Österreich zukunftsfit zu machen?

Für mich lautet der Schlüsselsatz: Vorsprung durch Wissen. Klingt trivial, ist aber die zentrale Zukunftsbotschaft. Wir müssen das Land der besten Köpfe sein – und nicht das Land der billigsten Hände. Übersetzt für die Politik heißt das: Investition in das Know-how, in die Kreativität der Menschen, also Bildung, Forschung, Innovation. Das ist unsere einzige Chance, mittel- bis langfristig einen Hochlohnstandort erhalten zu können. Den Billiglohn-Wettbewerb können wir nicht gewinnen.

Was kann sich die Republik da von einem Technologiekonzern wie Infineon abkupfern?

Ein Staat hat andere Aufgaben als ein Unternehmen. Gleichzeitig ist unsere Geschichte auch ein Lehrbeispiel. Wir wurden Anfang der 70er-Jahre als verlängerte Werkbank und Billigproduzent in Kärnten gegründet und haben uns in 45 Jahren zum forschungsstärksten Unternehmen Österreichs entwickelt. Heute haben wir in Österreich umfassende Kompetenzen für den Konzern mit 1200 Mitarbeitern allein in Forschung & Entwicklung. Wir punkten überall dort, wo Innovation, Qualität und nicht das Billigprodukt im Vordergrund stehen.

Wie kommt man ganz konkret dort hin?

Aus unserer Erfahrung sind die drei wichtigsten Faktoren gut qualifizierte Menschen, ein engagierter, mutiger und nach vorne gerichteter "Mindset" in der Belegschaft sowie gute Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeitmodelle. Besonders Arbeitszeitflexibilität, viele Mitarbeiter wollen das heutzutage.

Werden nicht Entwicklungen wie die viel diskutierte "Industrie 4.0" und die Roboterisierung der Arbeitswelt die Konzepte von heute über den Haufen werfen?

Die Digitalisierung ist eine der größten Chancen. In der alten Industriewelt ist Europa in vielen Bereichen auf der Verliererstraße. Mit Digitalisierung und Industrie 4.0 können wir diesen Trend umkehren. Diese Chance lebt mit dem Investment in Aus- und Weiterbildung. Internet und Breitbandausbau sind Grundvoraussetzungen. Wenn wir den Mut zur Veränderung aufbringen und die Digitalisierung als Chance begreifen, wird es gelingen, lokale Wertschöpfung in einem globalen Wirtschaftssystem zu schaffen. Die entscheidende Frage ist nicht, wie viele Jobs gehen durch Digitalisierung verloren, sondern, wie viele Jobs verlieren wir, wenn wir die Digitalisierung nicht offensiv nutzen.

Das heißt genau was?

Wir brauchen die bestmöglich qualifizierten Leute. Und es ist fast schon egal, wo sie sitzen, so lange wir nur den Zugang zu ihnen haben. Unser Problem ist: Wir reden schon seit Jahren über Bildung und nötige Reformen, ich verspüre ganz wenig Begeisterung, die x-te Diskussion zu führen. Wir müssen endlich zu konkreten Maßnahmen kommen und umsetzen, was moderne Bildung und Lernen im 21. Jahrhundert heißt.

Was kann der Staat, die Politik sonst noch von Konzernen wie Infineon lernen?

Wir arbeiten in einer krisengeprägten Branche, und es heißt zu Recht, verschwende nie die Chance einer Krise, um die Kraft für echte Reformen aufzubringen. Als Infineon arbeiten wir jeden Tag an unserer Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. Wir trachten ständig danach, unsere Strukturen schlank und schlagkräftig zu halten – und weiter zu verbessern.

Da ist viel Luft für Reformen im Staat ...

Österreich hat die sechsthöchste Steuer- und Abgabenquote und die sechsthöchste Staatsquote in Europa, aber gleichzeitig den zweithöchsten Anstieg bei der Arbeitslosigkeit. Es gibt viel zu tun. Die vorliegenden Empfehlungen zur österreichischen Standortstrategie und regelmäßige Gespräche dazu mit den zuständigen Ministern sind eine gute Ausgangsbasis für Reformen.

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